1. Flüchtlingsartikel (2019): Zwischen Willkommens-Blinden und Willkommens-Hassern – mein 3. Weg: die Lösungs-Kultur

2025

Liebe Leserinnen und Leser,

in fünf Artikeln nehme ich Sie mit in das Fühlen, das Ringen eines VABO-Lehrers (VABO: „Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse“). Hier im ersten Artikel spüren Sie meine innere Zerrissenheit zwischen meinem Wunschdenken zugunsten der Flüchtlinge und meinem harten Aufschlagen in der Realität. Meine Ängste 2015 erweisen sich zehn Jahre später als erschreckend begründet, letztendlich realistisch weitsichtig, gleichzeitig kann ich die ideologische Blindheit von Politik und Medien nicht nachvollziehen, diese Blindheit macht mich fassungslos.

In diesen zehn Jahren starb etwas, das war für mich schlimmer als das Scheitern in der Flüchtlingsherausforderung: mein Vertrauen in unsere Presse – eine Presse, für die die „politisch korrekte“ Lüge wichtiger ist als die überall sichtbare Wahrheit, eine Presse, die mich nicht mehr objektiv informiert, sondern zu einem dummen Jungen entwürdigt, den man zu einer gewollten Einstellung, zu einer opportunen Gesinnung zwingen muss, eine Presse, in der die subjektive Haltung mehr zählt als das objektiv Richtige, eine Presse, die sich mir ideologisch verschließt, obgleich ich Jahrzehnte lang Artikel veröffentlichte.

Zentrale Artikel ab 1992: https://www.klausschenck.de/ks/veroeffentlichungen/paedagogik/index.html

Zurück zu meinem Flüchtlingsunterricht: Für mich als Willkommens-Realisten war in dieser emotional aufgeladenen Welt kein Platz, ich hatte eine professionelle Distanz zu allen Seiten, wie es meinem Bild als Lehrer entsprach. Wir Willkommens-Realisten gehörten zu keiner Parteiung für oder gegen Flüchtlinge, sondern wir wollten einfach nur einen zielführenden Unterricht machen – nicht mehr, aber auch nicht weniger, aber in Bekenntniszeiten war das nicht gefragt. Hätte man in diesen zurückliegenden zehn Jahren ohne ideologische Scheuklappen einfach nur einen guten Job gemacht – in Blick auf Unterricht, in Blick auf gesuchte Fachkräfte, in Blick auf ein der Zeit angemessenes Asylsystem mit klaren Bleibechancen und klaren Abschiebungen, einfach nur einen guten Job für Flüchtlinge, aber auch für Deutschland, dann hätten wir die zehn Jahre zur Problemlösung ohne ideologische Problemverschleierung genutzt…, wir stünden jetzt anders da!

Klaus Schenck (2025)

Vor 2019

Nein, ich hüpfte nicht vor Begeisterung, als 2015 die Flüchtlinge unkontrolliert nach Deutschland strömten. Dieses Unkontrollierte machte mir Angst – Angst vor Terrorangriffen, Angst vor Kriminalität, Angst vor einer Überforderung unseres Landes. Die „Willkommens-Kultur“ erschien mir euphorisiert naiv und blind für die Realität und die kommenden Probleme, aber ich blieb optimistisch, hatten wir doch das Wort der Kanzlerin: „Wir schaffen das!“ Und ich vertraute ihrer höheren Einsicht. Auch erhoffte ich für Deutschland junge, leistungsorientierte Menschen, die alle Probleme hier leicht meistern würden, hatten sie doch schon ganz andere gelöst. Ich meldete mich sofort zum Sprachunterricht, ich glaubte der Kanzlerin und wollte meinen Teil zum „Wir schaffen das“ beitragen.

Oktober/November 2015 kamen wir in „Religion“ in meiner 13. Klasse auf Flüchtlinge. Und dann öffneten sich die Schleusen an Wortmeldungen und Erzählungen – nur negative Berichte über Erlebnisse mit Flüchtlingen. Ein sehr zurückhaltender Junge erzählte, wie seine Freundin gegen 2 Uhr morgens an der Autobahntankstelle tankte, nach dem Bezahlen saßen plötzlich vier Schwarze in ihrem Auto, die sie aufforderten, sie in einen kleinen Ort der Umgebung zu fahren. Die herbeigerufene Polizei machte nichts, sie dürften die Schwarzen nicht anfassen. Um vier Uhr konnte die junge Frau endlich allein weiterfahren. Ich war total schockiert, noch nie hatte ich von solchen Vorfällen etwas gehört und gelesen. Die Presse war noch auf dem Willkommens-Trip. Am Ende der Stunde kam der Schüler: „Danke, Herr Schenck, dass Sie uns zugehört haben! Das tut nicht jeder!“

Dann kam Köln mit der Silvesternacht 2015 und den sexuellen Übergriffen durch Flüchtlinge – Folge: 1304 Anzeigen. Und wieder glaubte, hoffte ich, es wären Kleinkriminelle gewesen, auf jeden Fall keine Flüchtlinge. Dann die bewussten Lügen des Polizei-Präsidenten, der Eindruck, die Presse sei „gleichgeschaltet“: pro Flüchtling und verlogen. Für mich brach eine Welt zusammen, der naive Glaube, unsere Presse sei neutral, berichte Fakten, sei vertrauenswürdig. Alle kommenden Presse-Artikel zu Flüchtlingen, besonders im Lokalteil, liefen bei mir danach unter „Tränendrüsen-Journalismus“, der mich in seiner plumpen Form nur noch anwiderte und schnell überblättert wurde. Es war alles so durchschaubar, wir sollten zur Willkommens-Euphorie erzogen werden – und im Netz wurde aus Willkommens-Blindheit Willkommens-Hass; der Hass, der entsteht, wenn die Realität nicht klar benannt werden darf, „political correctness“ als Brand- und Hassbeschleuniger.

Die Sprachlehrkräfte meiner Schule und ich gingen auf Fortbildungen, wir bereiteten uns vor, kauften ein, taten alles, um einen sehr guten Sprachunterricht zu bieten. Trotz aller Zweifel hoffte ich noch immer inständig, wenigstens bei uns würde alles sehr erfolgreich laufen. An meiner Schule musste ich mich ständig rechtfertigen, weshalb ich mich für den Flüchtlingsunterricht gemeldet hätte. In meinem privaten Umfeld, eigentlich überall, schlug mir Willkommens-Skepsis bis -Hass entgegen, auch wenn oft hinter vorgehaltener Hand. Die Kluft zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung hätte nicht größer sein können – und ich dazwischen. Noch immer hoffte ich. Der Einschulungstag zu Schuljahresbeginn lief mit den Flüchtlingen mehr als chaotisch, die Verantwortlichen fehlten…

Zwischen Willkommens-Blindheit und Willkommens-Hass wurde ich fast zerrieben. Jeder sah in mir seinen Gegner. Ich propagierte in der Gesamtlehrerkonferenz und überall meinen Weg, den dritten Weg, den Weg der Lösungs-Kultur. Mit meinem vollen Engagement für den Flüchtlingsunterricht wollte ich nicht nur den Flüchtlingen dienen, sondern genauso meinem Land. Ich wollte zur Lösung des Problems beitragen. An Migration als Chance glaubte ich schon nicht mehr, aber mit der Lösungs-Kultur im Herzen gab ich alles.

Inzwischen sind wir ein gespaltenes Land: hier die Willkommens-Blinden, die bei jedem Flüchtling mit Betreuungs- und Eltern-Reflex und tausend Entschuldigungen reagieren, dort die Willkommens-Hasser, die einem „Merkel muss weg!“ in einer Emotionalität entgegen schleudern, die mich fassungslos macht. Ein Schwarz-Weiß-Denken: die Gut-Menschen mutieren beim Thema „Flüchtlingen“ zu Bös-Menschen, die die Andersdenkenden mit „Fremdenfeind“, „Rassist“ „AfDler“, gar „Nazi“ überkübeln. Die Willkommens-Hasser zahlen mit Beleidigungen, Verletzungen und Hass zurück. Die einen bewegen sich in der Presse, die anderen im Netz – und ich stehe mit meiner Lösungs-Kultur einsam da. Ich will einen guten Unterricht für Flüchtlinge machen, ich will meinem Land dienen, ich bin nicht emotional aufgeheizt für die eine oder andere Seite, ich sitze nur zwischen zwei Stühlen. Nein, ich liege zwischen zwei Stühlen, und alle sehen feindlich auf mich herab.

Ist es nicht für die Willkommens-Euphoriker möglich, auf die Willkommens-Realisten zuzugehen und wahrzunehmen, dass auch diese viel für Flüchtlinge leisten aus einer distanzierten Position. Mit ihnen nicht über Willkommens-Kultur zu streiten, auch nicht über Abschiebung und nicht mit tausend Entschuldigungen für die Flüchtlinge zu kommen, sondern einfach auch die realistische, distanzierte Lehrersicht als Möglichkeit der Lösungsstrategie sehen!

Den Willkommens-Realisten sollte die Zukunft gehören, jenseits aller blinden ideologischen Gräben! Diese Realisten haben eine Aufgabe, die sie nach Kräften erfüllen wollen; diese Realisten haben einen klaren Blick für Probleme, die sie lösen wollen; diese Realisten haben die nötige Distanz, um in Entschlossenheit, notfalls Härte, die Probleme der Flüchtlinge in Chancen für sie zu verwandeln: durch einen streng verpflichtenden Ganztagesunterricht mit Unterrichtsphasen und Phasen der Stille, der den Deutsch-Unterricht zum Erfolgsfaktor macht. Mit angemessenen Sprachprüfungen, mit klaren Sanktionen. Gleichzeitig sich aber auch klar zur anderen Medaillenseite der Integration bekennen: zur konsequenten Abschiebung derer, die sich durch Gerichtsurteil illegal in Deutschland aufhalten, wobei Amtsärzte die Abschiebetauglichkeit feststellen sollten, danach muss aber sofort die Abschiebung erfolgen. So wäre dann auch die Akzeptanz für die in Deutschland berechtigten Flüchtlinge gegeben, aber genau diese Akzeptanz wurde durch eine realitätsblinde „Gut-Mensch-Arroganz“ gegen die große Mehrheit der Bevölkerung verspielt – und diese wehrt sich, wen wundert’s?!

Klaus Schenck (2019)

Klaus Schenck: „Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“. S. 153-155.  Bange-Verlag, 2020, 16 € Stopp, ich will die Restbestände bis Ende April 2025 verkauft haben durch eine Sonderaktion: das Buch für 9,90 Euro!  Flyer: https://www.klausschenck.de/ks/downloads/f02-buch-1.-flyer-ueberblick-internet.pdf oder als Animation: https://www.youtube.com/watch?v=woFEVPALHUQ

Veröffentlichungen:

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Alle Artikel zum Flüchtlingsunterricht in ihrer Reihenfolge

Materialien für Schüler und Lehrer  

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Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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