Als Komparsin bei ‚La Religieuse‘

„Hey, hast du den Artikel in der Zeitung gelesen, dass im Kloster Bronnbach ein Film gedreht wird und dafür noch Komparsen benötigt werden? Kommst du mit mir zum Casting?“

Die Sms meiner Freundin kam mir sehr gelegen, hatte ich doch keine dreißig Minuten vorher den Artikel genaustens studiert und natürlich gleich Feuer und Flamme gefangen. Denn einmal bei einem Kinofilm mitzuspielen war schon immer mein Traum gewesen. Die Art des Filmes sowie die angekündigten Schauspieler waren für mich nicht von Bedeutung.

So kam es, dass wir schließlich zu viert nach Bronnbach flitzten, um unser Glück zu versuchen. Doch wir hatten nicht die leiseste Ahnung, was uns dort erwarten würde – ein riesiger Andrang von Leuten.

Überwältigt von dem unerwarteten Ansturm füllten wir den Fragebogen aus, der über Kontaktdaten, Sprachkenntnisse bis hin zum  Kleiderstil und Aussehen reichte. Danach stellten wir uns brav an das Ende der Warteschlange. Doch unsere Ungeduld wuchs immer mehr und so mogelten wir uns klammheimlich nach vorne. Als uns dann auch noch eine Journalistin von der Mainpost interviewte und wir angaben schon eine ganze Stunde zu warten, schien unser Täuschungsmanöver perfekt. Doch da tippte mich ein Mann an der Schulter und motzte, ob wir uns nicht auch wie jeder andere normale Mensch hinten anstellen könnten. So viel nun zum Abkürzen.

Also warteten wir geschlagene dreieinhalb Stunden, um letztendlich nur unsere persönliche Daten  abzugeben und zwei Bilder knipsen zu lassen.

Resultat: Im Showgeschäft braucht man viel Geduld, denn die Zahl der Konkurrenten ist sehr groß.

Als Deadline für die Auswahl der Bewerber war der 9. Januar angekündigt. Also warte und warte ich auf den ersehnten Anruf. Die Tage vergingen und es meldete sich niemand.

Als ich die Hoffnung schon komplett aufgegeben hatte (schließlich waren schon mehr als 7 Tage nach der Auswahlfrist verstrichen), klingelte plötzlich das Telefon: „Hi, ich bin’s, der Max vom Kloster! Hättest du noch Interesse bei dem Kinofilm La Religieuse mitzuspielen? Dann kannst du am Dienstag zu einer Kostümprobe ins Kloster kommen“.

Diese drei Sätze klangen besser als jede Musik in meinen Ohren!

Also nichts wie hin zur Kostümprobe.

Dort stellte ich mal wieder fest, dass alles am Set etwas chaotisch zugeht und man als Komparse sehr viel Geduld und Zeit mitbringen muss. So lernte ich schon mal weitere Komparsen kennen, denn ich war die Einzige aus unserer Clique, die eine Rolle bekam. Ausgerechnet ich, die in Springerstiefeln und mal wieder komplett in Schwarz zum Casting erschienen ist.

Die lange Wartezeit hing mit der Tatsache zusammen, dass noch nicht genügend Kostüme angeliefert wurden und so die Maße einzeln aufnotiert werden mussten.

Schließlich war ich an der Reihe. Das Feeling im Nonnenkostüm war schon ziemlich toll. Doch man hatte plötzlich so einen großen Umfang und muss tierisch aufpassen nirgendwo hängen zu bleiben

Es wurden mir außerdem noch zwei Termine genannt, an denen ich zum Einsatz käme. Doch wie es sich bald herausstellte, sollten es noch mehr werden.

Denn plötzlich klingelte mein Handy mitten in der Unterrichtsstunde. Als ich die Nummer später zurückrief, war es Max, der aufgrund von Planänderungen noch dringend Komparsen benötigte. Dies brauchte er mir nicht zweimal zu sagen.

In Bronnbach angekommen wurde ich auch sogleich in ein Kostüm gesteckt und von da an hieß es mal wieder warten.

Als es endlich losging, war ich total aufgeregt. Anné zeigte uns, wie wir im Entenmarsch über den Klostergarten zu schreiten hatten. Dann wurde dies geprobt und eine Garderobiere zupfte noch einmal das Kostüm zu Recht.

Wie man an den Wörtern erkennen kann, ist der Film eine deutsch-französische Zusammenarbeit, wobei das Regisseur-Team fast ausschließlich aus Frankreich kam und kein Deutsch sprach. Der Co-Regisseur und Anné bemühten sich jedoch, um ein paar deutsche Ausdrücke, was ziemlich knuffig klang.

Schließlich kam die Kamera zum Einsatz. Hier die nächste Überraschung. Der komplette Kinofilm wurde mit einer einzigen Kamera gedreht. Dementsprechend oft musste die Szene auch wiederholt werden, um im Film später mehre Blickwinkel zeigen zu können. In dieser Szene wurde die Hauptperson Suzanne von einer Nonne gewürgt. Ihr Schrei klang sehr echt, sodass er mir durch Mark und Bein ging. Leider erhielten wir fast keine Informationen zu den einzelnen Szenen, sodass wir sehr oft nicht wussten, was wir  gerade  drehten. Denn die Filmabschnitte wurden wild durcheinander gedreht.  So fehlte uns auch jeglicher Zusammenhang, wodurch mir es   schwer fiel, mich  in die Rolle hineinversetzten zu können.                                Polinne als Suzanne Simonin [1]

Nach diesem Drehtag folgten noch  drei weitere im Kloster Bronnbach und zwei im Kloster von Maulbronn, in der Nähe von Pforzheim. Diese Tage blieben jedoch genauso spannend wie der erste, obwohl sie ziemlich anstrengend wurden, da ich manchmal bis zu zwölf Stunden am Tag drehte. Natürlich ist in dieser Zeit auch öfters eine lange Wartezeit mit eingerechnet, in der man jedoch nicht aus dem Kostüm schlüpfen konnte und diese somit nicht allzu entspannend war. Trotzdem waren sie sehr wichtig, da wir leider in dem Zeitraum drehten, in dem das Thermometer bis zu minus 20°C fiel und die Kälte trotz Wärmepad, Wärmesohlen und dicken Pullis in die Glieder kroch. Noch kälter als an der frischen Luft waren jedoch die Dreharbeiten in der Kapelle des Klosters. An einem Drehtag, an dem sehr viele „Nonnen“ anwesend waren und die Szenen unbedingt in den Kasten mussten, verbrachten wir fast den ganzen Tag in dem Gotteshaus. Von einem intakten Zeitgefühl konnte nicht mehr die Rede sein, da Scheinwerfer von außen Sonnenlicht simulierten und sonstige störende Lichteinstrahlungen verhindert wurden. Denn auch passende Lichtverhältnisse sind in einem Kinofilm sehr wichtig. Deswegen wurden diese vor jeder Szene mehrmals mit Hilfe eines speziellen Geräts überprüft.

So kam es, dass auf der rechten Seite der Kapelle die „Sonne“ schien, während auf der anderen Seite tiefe Nacht war.

Diese akkurate Arbeitsweise lässt sich auch in vielen weiteren Details wieder finden. So mussten zum Beispiel die Kerzen im Hintergrund  immer eine bestimmte Länge haben oder der Abstand zwischen verschiedenen Personen oder Kamera gleich bleiben. Dadurch wurde das Set immer wieder neu zurecht gerückt und verändert. Des Weiteren  gibt es sogar einen eigenen Beruf dafür, alles exakt aufzuschreiben. Beschrieben werden muss zum Beispiel die Kulisse, wer welche Handlungen übernimmt und vor allem wann „Cut“ gerufen wurde.

Dies ist bei französischen Dreharbeiten sowieso etwas anders als im Englischen oder Deutschen. Denn die Franzosen rufen nicht „Achtung, jetzt wird gedreht“ oder „Film ab“, sondern sie fangen einfach an!

Der Ruf „Silence“ erfolgt  manchmal auch 3-, 4-mal, bevor überhaupt was passiert. Dann gibt der Tonmann sein Ok., wenn er startklar ist, und der Kameraassistent bewegt seinen Finger im Kreis, um zu symbolisieren, dass jetzt gedreht wird.

Beim Drehen ist es besonders wichtig nicht in die Kamera zu schauen, sondern diese einfach zu ignorieren. Leichter gesagt als getan, da die Neugier bei den ersten Dreharbeiten doch ziemlich groß ist. Außerdem hat man manchmal das Gefühl sowieso überflüssig zu sein, da man von der Kamera bestimmt nicht erwischt wird. Dennoch wurde unser Kostüm perfekt zurechtgezupft, widerspenstige Haare unter den Schleier zurückbefördert und uns gesagt, wir seien wichtig. So fühlte ich  mich schon  besonders, als die Durchfahrt Bronnbach, aufgrund der Dreharbeiten vor dem Kloster, für alle Autofahrer gesperrt war und niemand den Umkreis betreten durfte. Denn es wurde eine Szene gedreht, in der viele Familien ihre Töchter im Kloster besuchten. So wurden auch Komparsen als Bürgerliche mit wunderschönen Kleidern eingesetzt. Gerne hätte ich auch so ein Kleid getragen oder wenigstens einmal anprobiert. Allein die Tatsache, dass diese in ihren Kostümen noch viel mehr froren als ich,  konnte mein „Job als Nonne“ wieder attraktiv machen.

Aber auch nur so konnte ich bei den Dreharbeiten in Maulbronn dabei sein, was ebenso ziemlich lohnenswert war.

Das Kloster stellt eine riesige Anlage dar, die teilweise als Internat genutzt wird. Deswegen gab es für uns nur sehr wenig Platz und wir mussten in ein nahe liegendes Hotel umquartiert werden, um uns dort umzukleiden oder etwas zu essen. Jedoch hatte dies auch seine guten Seiten, denn sonst wäre ich wohl nie mit einem schwarzen „Star-Van“, inklusiv getönter Scheiben, gefahren worden.

Trotzdem fand ich es ziemlich krass, dass die Dreharbeiten so überflüssig waren und durch Bauarbeiten gestört wurden obwohl ziemlich viel Geld gezahlt wurde, um Maulbronn überhaupt als Location nutzten zu können.

Leider spielte uns auch hier der Wettergott einen Streich. Denn der frisch gefallene Schnee verwandelte sich in eine braune Matschmasse, die Kostüme und Schuhe durchweichte.

Ausschnitt des Klosters Maulbronn [2]

Doch im Großen und Ganzen hat mir die Zeit am Set sehr gut gefallen. Ich hatte das Glück, dort von sehr vielen netten Leuten umgeben zu sein. Ebenso ist es nicht selbstverständlich, dass die Komparsen während des Drehs diese Vorzüge genießen durften. Denn ich erfuhr, dass zum Beispiel die Komparsen bei dem Kinofilm Drei Musketiere, welcher zum Teil in Würzburg neu verfilmt wurde, nicht gerade freundlich behandelt wurden.  Es kann aber auch an der Tatsache liegen, dass der Film La Religieuse weit unter dem Film Drei Musketiere steht und hier die Distanz zwischen Schauspielern und Komparsen noch nicht so groß ist.

Trotzdem würde ich, nach meinen Erfahrungen, das Theater bevorzugen. Denn dort kann man ein Stück auch mal in voller Länge aufführen und die Menschen direkt begeistern. Diese Freude, die man durch seine Schauspielerei bei den Zuschauern erzeugt hat, springt wie ein Funke auch wieder auf die Bühne zurück. Im Filmgeschäft ist dies jedoch nicht so. Der Film wird in viele einzelne Szenen zerstückelt und scheinbar wild durcheinander gedreht. Wenn eine Szene dann der Vorstellung des Regisseurs entspricht, hört man zwar ein Lob, aber es geht sofort weiter mit der Arbeit, welche echt anstrengend sein kann.

Deswegen bin ich auch sehr neugierig auf den finalen Film. Ich möchte wissen, wie die Stücke zusammengesetzt wurden, die einzelnen Perspektiven wirken, wie er musikalisch untermalt wurde und natürlich, ob und wie oft ich mich auf der Leinwand wieder finden kann. Denn nach einer Erfahrung hinter der Kulisse schaut man die Filme mit neuen Augen. Man entdeckt viel mehr Details und weiß sofort, hinter welchen Rollen Komparsen stecken. So würde ich es jedem, der jetzt auch neugierig geworden ist, raten die Chance zu nutzen. Denn die Auswahlkriterien sind sehr verschieden und die Zeit am Set unvergesslich.

Materialien für Lehrer und Schüler

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Dorena Kronhofmann

dorrys.mailbox@yahoo.de


[1] http://www.giftedfilms.de/filme/ [Stand 29.04.12]

[2] http://www.reisefuehrer-deutschland.de/bilder-tipps/baden-wuerttemberg/kloster-maulbronn.jpg[Stand 02.05.12]

 

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