„Life is what happens while we are making other plans.“ (John Lennon)

Lange hat es gedauert, bis ich wusste, was ich studieren will. Der Weg schien ewig zu dauern. Selbstfindung hört mit der Schule nicht auf – im Gegenteil. Hier setzt sie erst richtig ein. Hier müssen wir anfangen selbst aktiv zu werden und viel mehr eigene Verantwortung übernehmen. Keiner rennt einem mehr nach wegen Hausaufgaben oder Aufsätzen. Man ist auf sich selbst gestellt. Nach dem Abitur klopfen die Universitäten nicht an unsere Türen und wollen uns davon überzeugen, dass sie das einzig Wahre für uns seien. Das müssen wir schon selbst herausfinden. Und bei der Suche nach einer Universität hört es noch lange nicht auf. Auch ein Hauptfach will gut gewählt sein. Außerdem muss man sich überlegen, welchen Abschluss man machen möchte – hier herrscht oft größte Verwirrung mit den neuen Bachelor-Abschlüssen, auf die sich noch lange nicht alle Unis eingerichtet haben. Nebenbei gibt es noch das Diplom, Lehramt oder Magister. Nebenfächer können auch zum Problem werden. Nicht überall herrscht ein vielfältiges Angebot und oft lassen sich die interessanten Fächer gar nicht kombinieren.
Vor einem Jahr habe ich mein Abitur am WG bestanden. Seitdem war ich auf der Suche nach dem, was meiner Meinung nach richtig für mich ist, sich richtig anfühlt und dennoch realisieren lässt.
Zu Zeiten der Schülerzeitung wollte ich unbedingt in Richtung Journalismus studieren. Mein Talent ausbauen. Doch die Realität holte mich schneller ein, als mir lieb war. Kein Journalismus-Studiengang ohne NC im Bereich Eins-Komma-Schieß-Mich-Tot! Der Nebeneinstieg ging mir also durch den Kopf. Nur wie? Auf meiner Suche bin ich auf das Deutsche Literatur Institut in Leipzig gestoßen, das eine Aufnahmeprüfung hat. Man muss dort literarische Proben einreichen. Befindet ein Prüfungsausschuss sie für gut, wird man zu einem Gespräch eingeladen. Ähnlich in Hildesheim, beim Studiengang Kulturjournalismus. Sowieso reizte mich der Bereich Kultur am allermeisten. Es verging einiges an Zeit.
Ein Au Pair Aufenthalt in Irland kam dazu – den ich von neun Monaten auf zwei verkürzte, weil ich leider feststellen musste, dass ich mit der Familie zu große Differenzen hatte. Natürlich war ich nun außerplanmäßig viel zu früh in Deutschland zurück. Wie John Lennon so schön sagte, ist Leben das, was passiert, während wir andere Pläne machen. In meinen Plänen war nie vorgesehen, Ende Januar schon wieder in „Good Old Germany“ zu sein. Es war auch nie von mir geplant, einmal mit einer Freundin zusammen nach Köln zu ziehen. Ohne Geld, ohne Job. Doch letzteres bekam ich in der Großstadt schon am zweiten Tag – somit war Problem Nummer Eins gelöst. Allerdings nur für die Gegenwart.
Was ein Studium anging, war ich nicht viel weiter gekommen. Bis ich irgendwann feststellte, dass ich Kunstgeschichte studieren will. Es hat sich einfach so entwickelt. Ich würde euch sehr gern eine Erklärung dafür geben, aber ich habe selbst keine. Leipzig und Hildesheim ließ ich fallen genauso wie die anderen Unis, die ich ins Auge gefasst hatte.
Eine neue Liste musste zusammengestellt werden. Neue Universitäten gefunden und verglichen werden. Was für ein Chaos! Manche bieten Online-Bewerbungen an, manche nicht. Die einen haben schon auf Bachelor umgestellt, die anderen bleiben noch beim Magister oder Diplom. Seit circa vier Wochen suchte ich jeden Tag mindestens zwei Stunden lang im Internet nach passenden Unis für mich, füllte Online-Formulare aus, druckte Unterlagen aus, stellte Bewerbungen zusammen. Dazu gehörte bei manchen Unis ein Motivationsschreiben. Warum ich Kunstgeschichte studieren wolle. Eine gute Frage! Vor allem sehr berechtigt, wenn man es sogar zum Studium machen möchte. Es war das erste Mal, dass ich mich selbst mit dieser Frage intensiv auseinandersetzte und ich bin sehr froh, dass ich das machen musste. Nun bin ich mir sicher, was meine Wahl angeht. Meine eigenen Zweifel wurden ausgeräumt und nun füllt mich Sicherheit. Eine sehr angenehme Abwechslung nach der ziemlich unruhigen und unsicheren Zeit nach dem Abitur. Trotzdem bereue ich es kein bisschen, dass mein Studium nicht nahtlos an den Hochschulabschluss anknüpfte. Mir wäre so einiges entgangen und vielleicht hätte ich eine falsche Entscheidung getroffen. Umwege sind oft hilfreicher als Abkürzungen, aber trotzdem möchte ich euch nun ohne Umweg mein Motivationsschreiben mitteilen.

Motivationsschreiben an eine Universität

Jeder Mensch ist dazu in der Lage, Oberflächen zu sehen, ein Bild, eine Skulptur, Landschaften, Menschen. Es ist eine angeborene Fähigkeit. Manchmal muss sie künstlich korrigiert und verfeinert werden. Doch vertieft wird sie dabei nicht. Weder Brillen noch Kontaktlinsen helfen dabei, hinter die Oberflächen zu sehen.
Doch genau das möchte ich.

Man sieht nur das, was man weiß.
Johann Wolfgang von Goethe

Ohne Wissen ist Kunst nur Oberfläche. Subjektiv betrachtet können Kunstwerke schön oder hässlich sein, vielleicht auch gewöhnungsbedürftig, alt oder neu, unter Umständen antik. Die Sprache hat viele Adjektive hervorgebracht, um Kunst zu beschreiben, und die Literatur hält diese sehr weitläufig und ausführlich in Schriftform fest. Sie hilft beim Blick hinter das, was augenscheinlich offensichtlich ist. Aber Bücher selbst sind nur weitere Objekte. Sie diskutieren nicht mit mir, obwohl sie Antworten geben und indirekt Fragen stellen, auf die ich natürlich weitere Antworten will. Also suche ich nach weiteren Büchern. Ein Ersatz für den Dialog sind sie allerdings nicht und so viele Bücher ich in meiner Freizeit auch lesen werde, sie werden mir nie ein Zeugnis ausstellen. Ganz im Gegensatz zu einer Universität.

Ich lerne sehen, ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Rainer Maria Rilke

Meinen ersten ernsthaften Kontakt mit Kunstgeschichte hatte ich in der Oberstufe. Dank meines Deutschlehrers, der es mir ermöglichte ein Referat darüber zu halten. Angefangen beim Klassizismus bis hin zum Ende des Jugendstils.
Vor diesem Referat musste Kunst in meinen Augen ästhetisch sein, um mein Interesse zu wecken. Mit Werken wie dem Schwur der Horatier von Jacques-Louis David, oder Kreidefelsen auf Rügen von Caspar David Friedrich konnte ich damals entsprechend wenig anfangen, nur um zwei spontane Beispiele zu nennen. Doch je mehr Material und Wissen ich mir über die Bilder aneignete, desto mehr zogen sie mich in ihren Bann. Jedes neue Hintergrundwissen eröffnete mir eine neue Art zu sehen. Plötzlich waren die Bilder nicht mehr nur aufwändig und kunstfertig bemalte Oberflächen, sondern sie bekamen einen Kontext, in dem sie lebendig wurden. Langsam lernte ich sie anders zu sehen. Sah tiefer, – hinter die Farben und Formen.
Inzwischen habe ich ein neues Verständnis für Ästhetik, das sich nicht mehr nur auf das Offensichtliche beschränkt. Geschult ist es aber leider nicht und das würde ich gern ändern.

Aber warum gleich ein Studium daraus machen?

Salopp ausgedrückt: Weil es meinem Talent entspricht. Man könnte auch umgekehrt fragen, warum etwas anderes studieren? Wirtschaft oder Biologie zum Beispiel. Ganz einfach, weil beides nicht meinen Neigungen entspricht. In den vierzehn Jahren Schule, die ich hinter mir habe, war immer etwas dabei, mit dem ich mich notgedrungen arrangieren musste, ich bin mir nie treu gewesen – schließlich wollte ich meine Abschlüsse schaffen und das möglichst gut. Leider rückten die musischen Fähigkeiten mit steigendem schulischem Anspruch immer mehr in den Hintergrund. Sehr zu meinem Nachteil und Leidwesen. Vor allem in der Oberstufe. Jetzt bin ich nicht länger zu solchen Kompromissen bereit. Natürlich ist mir klar, dass es auch im Studium das eine oder andere geben wird, das mir sicher weniger liegt, aber wenigstens habe ich diesmal die Fächer selbst bestimmt. Mein Ziel vor Augen ist nicht länger nur ein Schulabschluss, sondern endlich meine Zeit für das zu nutzen, was mich erfüllt.
Ich halte es auch nicht für sinnvoll etwas zu studieren, weil es dem derzeitigen Trend entspricht. Trends kommen und gehen, am Ende sind die Studiengänge überlaufen und danach sitzt die Hälfte der Absolventen auf der Straße, weil es genug gibt, die den gleichen Abschluss vorweisen können, und der Trend schon längst einem anderen gewichen ist. Nun nehme ich mir die Freiheit der Kunst treu zu bleiben.

Jeder von uns wird mehr oder weniger beeinflusst von dem intellektuellen Medium, indem er sich vorzugsweise bewegt.
Friedrich Engels

In einem Brief an ihren ehemaligen Deutschlehrer, Herrn Schenck, erklärt Mandy die beiden Bilder:

Der Baum erklärt sich wohl am ehesten von allein. Zuerst war es nur ein Wegweiser, doch der Rest hat sich ziemlich schnell drum herum entwickelt. Ich habe überlegt, was allgemein für das Leben steht und das ist, neben dem Wasser, der Baum. Die angegebenen Richtungen wurden Teil der Äste und sind somit nicht mehr klar voneinander zu unterscheiden. Sie verlaufen auch nicht gradlinig und kreuzen immer wieder und da ein Baum wächst, bis er stirbt, kann man auch nie vorher sagen, wo ein Weg enden wird.
Der Himmel ist oben mit dunklen Wolken verhangen, die nichts Gutes ahnen lassen. Nur „Illusionen“, „Freiheit“ und „Wachstum“ bilden helle Lichtblicke. „Eine uferlose Aufgabe“ kann es sein „Neue Wege. Neue Ziele.“ zu finden. Doch man kann es auch hinterfragen, ob das so ist. „Neue Wege. Neue Ziele.“ war ja gewissermaßen der Mittelpunkt meines Lebens und steht nach wie vor im Mittelpunkt meines Horizonts, der hier durch die schwarze „Herzfrequenz“ dargestellt ist. Links ist sozusagen das alte und bekannte Leben. Das Leben verläuft in geregelten Bahnen und die Frequenz ist sehr gleichmäßig. Doch dann folgt das große Unbekannte. Der Herzschlag wird unruhig, hektisch, setzt kurz sogar aus und fängt sich wieder, – doch ist nicht mehr derselbe wie früher.

Die helle gelbe Erde ist verkohlt und an ihren Grenzen (dem Rand des Blattes) sogar verbrannt. Zwar nicht überall, dennoch ist sie sichtlich angeschlagen. „Sicherheit für die Revolution“: sicher war früher mal die Schule, seitdem ist bei mir nichts mehr sicher – außer, dass ich einen großen Kampf mit mir und oft auch mit anderen habe. Es geht um das große Neue, Unbekannte (zumindest teils unbekannt), – daher „Revolution“, auch gegen das Alte, wo ich immer Zugeständnisse machen musste (Mathe, VBRW). „Erwartet das Unerwartete“: Gar nicht so einfach, denn ständig wird einem ein Strich durch die Planung gemacht. Man muss sich erneut und erneut nach anderen Wegen umsehen. Das kann recht zermürbend und aufreibend für die Nerven (Fäden) sein. Irgendwie hängt alles zusammen und irgendwie ist alles trotzdem ganz eigen (Farben).

Artikel: Mandy Hartmann

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