Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Alois Gerig

 

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1. Aufgrund der Energieproblematik ist es notwendig, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Was versuchen Sie im Bundestag dafür zu tun?

Alois Gerig: Union und FDP haben in dem Koalitionsvertrag vereinbart, die Erneuerbaren Energien konsequent auszubauen und die Energieeffizienz weiter zu erhöhen. Unser Ziel ist es, dass die Erneuerbaren Energien künftig den Hauptanteil an der Energieversorgung übernehmen. Auf diesem Weg werden in einem dynamischen Energiemix die konventionellen Energieträger kontinuierlich durch alternative Energien ersetzt. Wir werden noch in diesem Jahr ein Energiekonzept vorlegen, das szenarienbezogene Leitlinien für eine saubere, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung formuliert. Dieses Konzept wird derzeit erarbeitet.

2. Die Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber verfolgt das Ziel, die Region gemeinschaftlich zu einer Null-Emissions-Region zu entwickeln. Für wie realistisch und durchführbar halten Sie dieses Ziel?

Alois Gerig: Ob eine Null-Emissions-Region tatsächlich realisiert werden kann, vermag ich nicht vorherzusagen. Ein Wert sehr nahe an der Nullmarke müsste aber durchaus machbar sein. Die Bioenergie-Region hat sich als Etappenziel gesetzt, bis Mitte 2012 30.000 Tonnen CO2 einzusparen. Innerhalb eines guten halben Jahres wurde der CO2-Ausstoss bereits um 8.554 Tonnen reduziert. Diese Zahlen stimmen mich zuversichtlich, dass wir in unserer Region bei der CO2-Einsparung wirklich vorankommen. Vielerorts wurden Investitionen in Erneuerbare Energien getätigt, beispielsweise in Mähroboter, Pelletheizungen, Photovoltaik- oder Biogasanlagen. Dies zeigt, dass ein Bewusstsein zum Umdenken in der Bevölkerung geschaffen wurde. Was ich aber viel wichtiger finde als die Verwirklichung der Null-Emissions-Region, ist der Weg dorthin. Schon jetzt hat die Bioenergieregion H-O-T Vorbildcharakter für andere Regionen und regt hoffentlich viele zum Nachahmen an. Ich freue mich über jedes Projekt, das dazukommt und das vielleicht wieder jemanden motiviert, auch einen Beitrag zu leisten. Denn eins ist ganz sicher – so ein Ziel kann nur gemeinsam erreicht werden.

3. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, spricht sich für Laufzeitverlängerungen bei Atomkraftwerken aus. Wie stehen Sie dazu?

Alois Gerig: Eine Entscheidung darüber, wie lange die Kernenergie als Brückentechnologie in einem Energiemix genutzt wird, wird auf der Grundlage des Energiekonzepts zu entscheiden sein (siehe Antwort 1). Grundlage für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke ist und bleibt die Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards.

4. Auf Ihrer Homepage sprachen Sie sich gegen eine Absenkung der Solarförderung zum 01. April aus. Nun wurden die vom Bundestag zum 01. Juli geplanten Kürzungen zunächst vom Bundesrat gestoppt. Sehen Sie dies als Vorteil?

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Alois Gerig: Nein. Der Bundesrat hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dies hat eher den Nachteil, dass in der Solarbranche und bei ihren Kunden weitere Verunsicherung entstanden ist, ob und wann die Absenkung der Solarförderung kommt. Nach meiner Einschätzung wird es bei der von der Koalition beschlossenen Absenkung zum 1. Juli bleiben, da der Bundestag den Einspruch des Bundesrates überstimmen kann. Nach meiner Überzeugung ist die Absenkung der Solarförderung richtig. Die Kosten für Solaranlagen sind allein im Jahr 2009 um durchschnittlich 30 Prozent gesunken. Für 2010 wird ein weiterer Preisrückgang zwischen zehn und 15 Prozent erwartet. Die deutlichen Preissenkungen haben zu einem starken Ausbau der Solarenergie in Deutschland geführt. Da der Verbraucher die Einspeisevergütung über seine Stromrechnung bezahlt, führt ein starker Ausbau der Solarenergie für den Verbraucher zu erheblichen Mehrkosten. Die Absenkung der Solarförderung ist notwendig, um den wünschenswerten Ausbau der Solarenergie und die Mehrkosten für den Verbraucher in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde erfreulicherweise erreicht, dass die Absenkung der Solarförderung vom 1. April auf den 1. Juli 2010 verschoben wurde. So bestand für Investoren und für die Solarbranche mehr Zeit, um geplante neue Anlagen vor der Absenkung der Einspeisevergütung ans Netz zu bringen.

5. Im Main-Tauber-Kreis werden im Jahr 2010 lediglich 49 von 77.483 PKWs von alternativen Antriebsarten angetrieben. Sind die Menschen Ihrer Ansicht nach unzureichend über Vorteile dieser Autos informiert?

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Alois Gerig: Ich glaube weniger, dass es an der mangelnden Information liegt. Alternativen zum Verbrennungsmotor sind technisch noch nicht völlig ausgereift. So ist beispielsweise bei der Elektromobiltät die Batterietechnologie in puncto Reichweite und Preis noch erheblich verbesserungsbedürftig. Zudem bedarf es eines flächendeckenden Netzes, um die Akkus aufzuladen. Die Koalition will, dass sich Deutschland zum „Leitmarkt“ für Elektromobilität entwickelt. In 2020 sollen 1 Mio. Fahrzeuge mit reinem Elektro- oder Hybridantrieb mit batteriebetriebenem Elektromotor auf den Straßen fahren. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, diese Technologie zügig voranzubringen. Daneben ist es wichtig, auch Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien nicht zu vernachlässigen. Elektromobilität wird erst mittelfristig verfügbar sein – daher muss weiter an effizienteren Verbrennungsmotoren und Biokraftstoffen geforscht werden.

6. Der Energieverbrauch wird nach Schätzungen weltweit bis zum Jahr 2030 um 45% steigen. Wo sehen Sie das größte Energieeinsparpotenzial?

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Alois Gerig: Um beim Klimaschutz voranzukommen, ist es weltweit erforderlich, Energie effizient zu nutzen und einzusparen. Ich denke, dass die Industrieländer mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Zum einen verfügen diese Länder eher über die erforderlichen Technologien, zum anderen ist in Industrieländern der Pro-Kopf-Verbrauch deutlich höher. Aus meiner Sicht muss an mehreren Stellschrauben angesetzt werden. Die Energieeffizienz lässt sich zum Beispiel durch Kraftwerke mit höherem Wirkungsgrad oder durch die gekoppelte Erzeugung von Elektrizität und Wärme erhöhen. Hierbei wird bei gleichem Einsatz von Brennstoffen wie Kohle, Gas und Öl mehr Energie erzeugt. Darüber hinaus lässt sich die erzeugte Endenergie auch deutlich effizienter verwenden. Beispiele hierfür sind energieeffizientere Haushaltsgeräte, Vermeidung von Leerlaufverlusten, der Einsatz von Energiesparlampen, verbesserte Wärmedämmung, effizientere Heizungsanlagentechnik und der Einsatz drehzahlgeregelter Umwälzpumpen. Nach Studien der Europäischen Kommission kann ein durchschnittlicher Haushalt zwischen 200 und 1.000 Euro pro Jahr sparen, wenn effizienter mit Energie umgegangen wird.

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7. Durch die CO2- Emission erhöht sich die Oberflächentemperatur, die bis zum Jahre 2100 zwischen 1,4 und 5,8°C steigen wird. Schon heute gibt es darum extreme Wetterereignisse, wie schmelzende Gletscher, Hochwasser,. Was kann in Ihren Augen der Einzelne schnellstmöglich in seinem Verhalten ändern, damit die Oberflächentemperatur nicht weiter ansteigt?

Alois Gerig: Neben effizienter Technik kann jeder durch sein Verhalten zum Klimaschutz beitragen: . Öfter mal Fahrrad- statt Autofahren . Öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrgemein-schaften nutzen . Wohnung gut isolieren und effektiv Heizen und Lüften . Geräte nach Gebrauch ausschalten und nicht im Stand-By-Modus belassen . Regionale Produkte kaufen.

8. Durch das Kyoto-Protokoll soll unter anderem der jährliche Treibhausgas- Ausstoß der Industrieländer reduziert werden. Doch noch immer ist es strittig, ob die Schwellen- und Entwicklungsländer in die Reduzierung der Treibhausgase mit eingebunden werden sollen, obwohl diese nach Vorhersagen vom Klimawandel hart getroffen werden. Wie beurteilen Sie die Überlegung?

Alois Gerig: Aus meiner Sicht sind konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz sowohl in den Industriestaaten als auch in den Schwellen- und Entwicklungsländer notwendig. Deshalb sollten auch für Schwellen- und Entwicklungsländer verbindliche CO2-Reduktitionsziele gelten. Die Industrieländer müssen für die Entwicklungsländer langfristig und verlässlich Geld bereitstellen, um ihnen bei der Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen und bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Darüber hinaus bedarf es international fester Regeln, mit denen überprüft werden kann, ob die zugesagten Maßnahmen ergriffen und die Klimaziele erreicht werden.

9. Auf dem Petersberger Klimadialog gab es keine Fortschritte in Sachen der CO2-Reduktion und die Teilnehmer sagten bereits voraus, dass es auch auf dem nächsten Klimagipfel im Dezember zu keiner Unterzeichnung eines neuen Klimaschutzvertrages komme. Halten Sie dieses Treffen dennoch für sinnvoll und wichtig? Ja, der Petersberger Klimadialog war notwendig, um die festgefahrenen Verhandlungen nach dem Klimagipfel von Kopenhagen wieder in Bewegung zu bringen und die nächsten Schritte in der internationalen Klimapolitik zu diskutieren. Konkrete Beschlüsse waren bei dem Treffen nicht vorgesehen.

Alois Gerig: Nur durch Dialog wird es gelingen, den Weg zu einem verbindlichen und anspruchsvollen Klimaschutzabkommen zu ebnen – der Petersberger Klimadialog hat dazu einen Beitrag geleistet. Die teilnehmenden Umwelt- und Klimaschutzministerinnen und -minister waren sich einig, dass bei den weiteren UN-Verhandlungen zum Klimaschutz folgende Themen auf die Agenda gehören: . die Minderung von Treibhausgasen in Industrie- und Schwellenländern, . der Aufbau eines internationalen Systems zur Kontrolle der Minderungsaktivitäten, . die Unterstützung von Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern und . die Finanzierung internationalen Klimaschutzes.

Vielen Dank für das Interview, Herr Gerig!

Interview: Patricia Haberkorn und Marina Glock

Fotoquellen: . http://www.sein.de/…/elektroautotanken.jpg
. http://p3.focus.de/…/HB6Etmrf_Pxgen_r_467xA.jpg
. http://www.bezirksnews.at/…/Fahrrad-Symbol_01_KMJ.png

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