Warum hat jeder ein anderes Wertesystem?
Weil unterschiedliche Lebenserfahrungen jeder Person auch unterschiedliche Persönlichkeiten bilden. Wie dem auch sei, die Persönlichkeiten mancher Menschen sind in manchen Gesellschaften beliebter und die anderer Menschen eben nicht so sehr. Das ist der Grund, warum jeder eine andere Meinung in Bezug auf dieselben Dinge hat. Und das ist auch der Grund, warum jeder Austauschschüler eine andere Ansicht zu demselben Land hat.
Deshalb spiegelt der weitere Bericht auch nur mein Leben in Deutschland wider.
Es gibt einen Punkt in meiner Persönlichkeit, den ich einmal „erhöhtes Selbstvertrauen“ nennen möchte. Ich überschätze oft meine Fähigkeiten und ignoriere Schwierigkeiten und Probleme. Deshalb habe ich auch nicht an Probleme gedacht und geglaubt, ich hätte ein wunderbares Leben in Deutschland.
Wie auch immer, die Realität ist gemeiner als meine wunderbaren Gedanken.
Sobald mein Flugzeug in Deutschland ankam, stellte ich plötzlich fest, dass meine Muttersprache, mein wichtigstes Werkzeug zur Kommunikation, hier in Deutschland plötzlich nutzlos war. Im Gegensatz zu meinem Zuhause änderte sich die Sprache, die Leute kommunizieren in Deutsch, was ich nicht so gut kann. Und dieser Sprachschock hat, seit ich hier in Deutschland bin, doch einen großen Einfluss auf mich gehabt.
Bevor ich zu meiner Gastfamilie kam, ging ich zuerst für eine Woche Training nach Laurenburg in der Nähe von Hamburg. Die Schüler dort kamen aus verschiedenen Ländern, aber eine Gemeinsamkeit war, dass die meisten bereits seit 5-6 Jahren Deutsch gelernt hatten und deshalb fast fließend Deutsch sprechen konnten. Im Gegensatz dazu habe ich Deutsch nur für ca. 1 Jahr gelernt und kann es nicht zur Kommunikation nutzen. Und dieser Sprachschock hat mich in eine Welt geschoben, die ich vorher nicht kannte.
In dieser ersten Woche war ich nicht sehr aktiv (ich konnte mit den anderen bei Spielen nicht mithalten) und habe fast nicht gesprochen, obwohl ich es eigentlich wollte. Weil die YFU-Tutoren nur Deutsch sprachen, um Spiele zu erklären, Regeln aufzuzählen, Deutschland zu erklären, zu sprechen, konnte ich nicht verstehen, was sie meinten. Wie kann eine Person, die fast nichts versteht, in einer Gruppe mitwirken?
Ich war mir sicher, dass ich auf andere Austauschschüler einen schlechten Eindruck gemacht habe, weil ich so schüchtern war, aber in Wahrheit bin ich sehr offen und gar nicht schüchtern. Zu Hause in China war ich eher der Typ, der die Atmosphäre in einem Gruppengespräch leicht handhaben konnte, und ich hatte dort eher eine leitende Rolle. Die Woche in Laurenburg hat mir auf harte Weise klar gemacht, wie wichtig eine Sprache ist.
Abgesehen von der Wichtigkeit der deutschen Sprache habe ich aber auch andere nützliche Informationen erhalten. Zum Beispiel, wie man sich in eine Gastfamilie eingliedert, wie man in der Schule neue Freunde findet, wie man seine Freizeit sinnvoll ausfüllt und wie man ein Teil von Deutschland sein kann.
Weil ich in China in der Schule immer zu sehr mit Lernen beschäftigt war, musste ich einige Hobbys aufgeben, die ich angefangen hatte, als ich noch jünger war. Als ich 11 war, habe ich Klavier spielen und Tanzen aufgegeben. Deshalb war das Erste, was ich machte, als ich in meiner Gastfamilie ankam, meine Freizeit sinnvoll auszufüllen. Jetzt habe ich dreimal pro Woche Tanzen und einmal pro Woche Klavier- Unterricht. Ich tanze jeden Freitag Hip-Hop und wurde jetzt eingeladen, an einem Wettbewerb des Tanzclubs teilzunehmen. Jetzt fahre ich mit dem Fahrrad zur Schule, was ich in China nur sehr selten gemacht habe. Die Umgebung hat sich stark verändert. Ich bin nicht mehr umgeben von Wolkenkratzern in einer lauten Stadt.
Ganz im Gegenteil, ich wohne jetzt in einem kleinen Dorf und ich habe jetzt jeden Tag Zeit, um Klavier zu spielen und zu tanzen. Mein Leben ist jetzt gefüllt mit Freunden, Hobbys, Familie, Freizeit und Interessen. Jeden Tag gibt es neue Dinge zu tun und ich weiß nie, was es morgen geben wird. Ich konzentriere mich nicht mehr nur aufs Lernen, was mein Leben doch recht farbenfroh macht.
Es gibt viele Treffen und Reisen für die YFU-Schüler in Bayern und so sehe ich viele andere Austauschschüler und lerne mehr über deren Leben hier. In den Unterhaltungen habe ich festgestellt, dass die meisten von uns das gleiche Problem mit dem Sprach- und Kulturschock hatten. Obwohl wir doch einige Freunde in den Schulen gefunden haben, so haben wir doch nicht wirklich einen „besten Freund“ gefunden, weil uns das Sprachproblem an einer ernsthafteren Kommunikation hindert. Das wiederum zeigt uns die Wichtigkeit der deutschen Sprache auf. Manchmal gibt es Konflikte mit der Gastfamilie, aber das Wichtigste dabei ist die Kommunikation, da andere nicht wissen, was man will oder meint, wenn man es ihnen nicht sagt oder mitteilt. Ich hatte auch Konflikte mit meiner Gastfamilie, aber das ist normal. Wir haben aber die Probleme durch Kommunikation gelöst. Wir (die Austauschschüler) haben uns viel über unser Leben in Deutschland erzählt und wir werden aus unseren Fehlern und denen der anderen Schüler lernen.
Ich habe gelernt, wie man unabhängig wird, wie man ohne Eltern alleine Probleme lösen kann und wie man richtige Entscheidungen trifft. Dieses Jahr wird mir helfen herauszufinden, wer ich bin und es wird mich erwachsener machen. In meiner Zukunft sehe ich mich bereits als eine gereiftere und bessere Persönlichkeit. Auch wenn ich weiß, dass das Jahr im Austausch hart werden kann, so genieße ich es auch mit Dankbarkeit für die Chance, denn das ganze Leben ist ein Risiko und eine einzige Herausforderung.
Artikelschreiberin: Dodo
Übersetzung aus dem Englischen:
Artikel und Fotos: Axel Ritsma (Vater)
Head of German Dept. / SZ Middle School /
德语系负责人/ 深圳中学
Materialien für Lehrer und Schüler
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