Der Arbeitgeber von 65.000 Stellen ganz nah – Kamingespräch mit Prof. Dr. h.c. mult. Reinhold Würth

Von 0 auf 100 in 67 Jahren – klingt langsam. Aber wenn man diesen Satz auf die Entwicklung eines Konzerns überträgt, ist der Geschwindigkeit eine gigantische Bedeutung zuzurech­nen. Der Mann, der diese Entwicklung ermöglicht, der einen Zweimannbetrieb innerhalb von 67 Jahren zu einem Konzern mit 66.000 Angestellten macht, ein millionenschwerer Arbeit­geber, der auch mit 77 Jahren noch nicht an die Rente denkt, nimmt sich Zeit für uns, zwanzig Auszubildende der Würth Industrie Service in Bad Mergentheim, einer Tochtergesell­schaft der Würth Group. An einem Montagmorgen treffen sich zwanzig Auszubildende und DH-Studenten aus allen Lehrjahren in einem Besprechungsraum. Es herrscht eine aufgeregte Stimmung, Nervosität ist spürbar, aber auch Vor­freude schwingt in den Stimmen der Beteiligten mit.

Und dann ist es so weit: Prof. Würth tritt ein, nimmt Platz und nimmt sich erst einmal ein „Backerle“, ein Plätzchen, bevor er uns begrüßt. Die Anspannung weicht, die Bewunderung steigt, als Prof. Würth mit hohenlohischem Dialekt ganz lo­cker aus seiner Vergangenheit berichtet. Mit nur 19 Jahren übernimmt er die 1945 von seinem Vater gegründete Schraubengroßhandlung. Dann richtet er sich direkt an uns: Er möchte die Menschen kennenlernen, die sein Lebenswerk fortführen. Schon in seinen ersten Sätzen appelliert er an unsere Innovationskraft, die Jugend sei frisch und habe neue Gedanken, mit denen es gelingen kann, die Konkurrenz ganz auszuschalten.  

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Die 20 Azubis und DH-Studenten
mit Personalleiterin Martina Heger und Personalreferent Dominik Hoppe

Nach der kurzen Einleitung von Prof. Würth übernimmt Rai­ner Bürkert, Geschäftsführer der WIS, die Gesprächsleitung. Entgegen aller Erwartungen, es herrsche bestimmt erst mal Stille, weil sich keiner traut, etwas zu fragen, schießen wir direkt los:

Wer hat Prof. Würth in seinem Leben am meisten beein­druckt?

Die Antwort ist bodenständig: Seine Frau. Daneben aber auch Herr Merkle, der ehemalige Chef von Bosch, weil er das Unternehmen Bosch mit einem enormen Durchsetzungswil­len und –vermögen so erfolgreich machte und Theodor Heuss, der erste deutsche Bundespräsident mit seiner un­glaublichen Kompetenz und seinen vielen Publikationen. Au­ßerdem schätzt Prof. Würth Heuss‘ Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und versucht, sich daran ein Bei­spiel zu nehmen.

Schnell kommt das Gespräch auf Visionen, auf die Prof. Würth sehr großen Wert legt. Bei der Übernahme des Ge­schäfts nach dem Tod seines Vaters hatte er zunächst keine Vision. Es ging schlicht und ergreifend darum, die Existenz der Familie zu sichern. Nach 10 bis 15 Jahren allerdings stellte sich der noch junge Unternehmer die Frage, wie sich das Unternehmen wohl in den nächsten Jahren entwickeln wird. Schon1962 gründet er Auslandsgesellschaften in den Niederlanden, der Schweiz und Österreich. Die aktuelle Vi­sion des Konzerns heißt „2020“. Das Ziel lautet: 20 Mrd. € Umsatz und 100.000 Mitarbeiter. Ein Teil davon sind die 20 Auszubildenden der WIS. Diese haben sehr gestaunt, als Herr Prof. Würth die Vision eines Wettbewerbers vorstellte: „21-21-21“, was bedeutet: „stelle einen 21-Jährigen ein, be­zahle ihm 21.000€ und kündige ihn nach 21 Monaten“. Diese Vision ist der krasse Kontrast zur Vision 2020. Ein Teil der Würth-Philosophie ist es, in Menschen zu investieren. An­hand der außergewöhnlich hohen Mitarbeiterzuwachszahlen ist ersichtlich, dass es sich hier nicht nur um eine lapidare Vision handelt, sondern dass der Konzern mit Herzblut da­hinter steht. Mit Herzblut steht vor allem Prof. Würth hinter seinem Lebenswerk. Wie man so etwas erreichen kann, wurde er schon oft gefragt. Im Kamingespräch ging er dabei auf seine Zeit als Dozent an der Uni Karlsruhe ein. Auch hier wurde er oft auf Erfolgsfaktoren für einen Jungunternehmer angesprochen. Prof. Würth gab damals einen Teil seiner Vorlesung an Jungunternehmer der Region ab, damit diese zeitnah berichten konnten. Er selbst sieht einen großen Er­folgsfaktor in der Bereitschaft zu schaffen. „Ärmel hochkrem­peln und schaffen“ ist in diesem Zusammenhang ein be­kanntes Zitat von ihm. In den ersten fünf Jahren muss ein Jungunternehmer bereit sein, auf Freizeit und Privatleben zu verzichten. Er muss mehr tun als die Pflicht. Und unabding­bar ist ein perfekt ausgearbeiteter Businessplan. Einen sol­chen gibt es natürlich auch für das eigene Unternehmen. Auf die Frage, was nach 2020 dann kommt, antwortet Prof. Würth, dass auch unsere Bäume nicht in den Himmel wach­sen. Ein Wachstum von 8-10% sei aber durchaus realistisch. Von den Azubis, den künftigen Managern, erwartet er Ideen für die Konkurrenzbeobachtung, die Marktbearbeitung, für eine Erweiterung des Verkaufsprogrammes und für Rationali­sierungen von Prozessen.

Am Ende des Gespräches richtete Herr Rampmaier, Mitglied der Konzernführung, ein paar kurze Worte an uns. Er wün­sche sich – wie Prof. Würth – vor allem Querdenker im Unter­nehmen, die Innovationen vorantreiben. Das Ziel für den Konzern muss sein, dass ein Kunde alle Teile, die er benö­tigt, bei der Würth Group ordern kann.  

Als Zeichen unserer Dankbarkeit überreichen wir ihm ein Vo­gelhaus, das Auszubildende der WIS gemeinsam mit behin­derten Menschen des Vereins Sprungbrett e.V.* gebaut ha­ben. Er verspricht uns, das Vogelhäuschen in seinem Garten aufzuhängen. Nachdem Prof. Würth den Raum verlassen hat, hört man Steine plumpsen. Wir alle sind erleichtert, dass das Gespräch so toll verlaufen ist und wir sind dankbar, so vieles von unserem beeindruckenden „Chef“ gehört zu ha­ben, was wir sicherlich mit auf unseren Lebensweg nehmen werden.

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*Sprungbrett e.V. ist ein gemeinnütziger Verein zur Integration von Men­schen mit Handicap, mit dem die Würth Industrie Service gemeinsam Aktionen veranstaltet
 

 

Artikel:

Julia Dürr

DH-Studentin bei der WIS

Materialien für Lehrer und Schüler

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