Alexander Zinsli (Litzirüti/Arosa): Werte-Brief an meine Enkel und Urenkel

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

an dieser Werte-Brief-Aktion für meine Homepage habe ich zwei Jahre gearbeitet und alle, denen ich davon erzählte, fanden die Idee unzeitgemäß und gaben ihr keine Chance. Ich schrieb dennoch 25 Leute aus meinem persönlichen Umfeld an – meist Leute des öffentlichen Lebens. Die meisten schwiegen, einige sagten ab und vier waren bereit und lieferten! Ich habe hier in Litzirüti nur Alexander Zinsli angesprochen und er war sofort bereit und hat mir seinen Werte-Brief nach wenigen Tagen gemailt. Was für ein Unterschied!

Meine Antwort aus deutscher Sicht: Die Schweizer sind auf Bekenntnis getrimmt und gewöhnt, ein solches abzulegen – bei den zahlreichen Volksbefragungen, aber nicht nur da. Wenn ich von Chur nach Litzirüti hochfahre oder ein wenig durch die Dörfer schlendere, fallen mir die Sprüche, die Bekenntnisse an den Häusern auf, was wir so nicht kennen. Als ich bei Thomas im „Edelweiss“ (Langwies) mein Steak genoss, las ich vorher ein wenig in der „Aroser Zeitung“. Die Kandidaten stellten sich für zig Gremien vor, was mich wiederum als bürgerliches Engagement in dieser Ausprägung erstaunte. Aber es fiel mir noch etwas anderes auf: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.“ Sie wissen alle: der Rütli-Schwur, den man – besonders in Blick auf die „Brüder“ – hier in Arosa sehr ernst nimmt, denn ich fand fast keine Kandidatinnen, auch das verwunderte mich. Als ich die „Aroser Zeitung“ weiter durchblätterte, stieß ich auf die Leserbriefseiten, auf denen recht viele für einzelne Kandidaten warben und ihre Qualitäten nannten bis priesen. Und wieder ein Bekenntnis, mir fremd aus Deutschland. Wir hatten bei uns vor wenigen Monaten Gemeinderats- und Kreistagswahlen, kein einziger Leserbrief mit bekennender Fürsprache für einen Kandidaten war dort zu lesen. Sie kennen vielleicht aus der Operette „Land des Lächelns“ von Lehar die Stelle: „… Doch wie’s darin aussieht, geht niemand etwas an.“ Auf uns Deutsche übertragen: „Doch wo ich stehe, wird keinem gesagt!“ Manchmal wünschte ich mir uns Deutschen mehr Schweizer Bekenntnisgeist, aber es wird ein frommer Wunsch bleiben!

Artikel und Fotos: Klaus Schenck

Mit einer Freilichtaufführung von „Wilhelm Tell“ auf dem Rütli hatte das Deutsche Nationaltheater Weimar am 23.7.2004 das 200-jährige Jubiläum der Uraufführung von Friedrich Schillers Freiheitsdrama gefeiert. Das Stück war zum ersten Mal in seiner Geschichte an seinem Ursprungsort der legendären Rütli-Wiese zu sehen, die als Keimzelle der Schweizer Eidgenossenschaft gilt. (Fotos: Klaus Schenck)

Werte-Brief von Alexander Zinsli

Ich kann nun bald auf 80 Lebensjahre Jahre zurückblicken. Ich habe Enkel und Urenkel, die das Leben noch vor sich haben. – Was könnte ich diesen aus meinen Erfahrungen auf den Weg mitgeben? Hier in Kürze, was mir am Herzen liegt:

Liebe junge Leute,

ich konnte in meinem Leben immer beobachten, dass alles, was ich erlebt habe, einen Sinn hatte und für mich richtig war. Sicher hatte ich bei gewissen Ereignissen Mühe, sie zu akzeptieren. Aber dann – vielleicht erst nach Jahren – ging mir auf, dass ich sie damals brauchte. Mein Schluss daraus: Wir werden von einer höheren Weisheit als der unsrigen durch das Leben geführt. Dafür bin ich sehr dankbar!

Dankbarkeit ist überhaupt eine Eigenschaft, die man nie verlernen sollte, genauso wie das Staunen, das Bewundern und die Freude an der Arbeit in und an der Welt. Ich glaube, wenn einem dies gelingt, ist man glücklich.

Was ich euch aber unbedingt ans Herz legen möchte ist: Bewahrt eure Freiheit! –

Ich bin in einem abgeschiedenen Bergtal aufgewachsen. Es gab keine Reglemente und Verfügungen. Jeder handelte aus eigener Verantwortung. Und es funktionierte! Erst später wurde ich zunehmend mit Vorschriften konfrontiert. Gewisse Gesetze schienen notwendig zu sein, etwa für das soziale Zusammenleben oder zum Schutz der Umwelt. – Aber braucht es so unendlich viele und laufend neue? Mir scheint, dass wir auf bestem Weg sind uns damit zu erdrosseln.

Gäbe es andere Möglichkeiten? Ich glaube ja. Um die Welt zu verbessern, braucht es nicht immer mehr Vorschriften, sondern Menschen, die verantwortlich handeln. Also fangen wir bei uns selber an. Überlegen wir uns doch einmal, aus welchen Motiven heraus wir das meiste tun. Wenn ich das versuche, stelle ich immer wieder fest, dass ich etwas tue, weil alle andern es auch tun oder weil es am bequemsten ist. Manchmal möchte ich auch einfach gut dastehen und gefallen oder ich erhoffe mir Vorteile. Ich bemerke dann, wie unfrei ich eigentlich bin, nicht nur eingeschränkt durch Gesetze, sondern auch durch mich selber. Richtig frei bin ich eben nur, wenn es mir gelingt, aus meiner allerinnersten eigenen Überzeugung heraus das zu tun, was ich als richtig erkannt habe und mich von nichts anderem leiten lasse. Nur so glaube ich den Anschluss an die oben genannte höhere Weisheit zu finden und aus dieser heraus verantwortlich handeln zu können. (Das führt nicht zwangsläufig zur Gesetzlosigkeit. Ich kann Vorschriften befolgen, nicht weil sie Vorschriften sind, sondern weil ich sie sinnvoll finde.)

Ihr könnt jetzt natürlich sagen, die Menschheit sei noch nicht reif genug, um verantwortlich handeln zu können. Sie braucht noch Vorschriften und manchmal sogar Zwang. Mag sein. Aber irgendwann muss irgendwer beginnen, sich zu befreien und aus sich heraus selbst Verantwortung für die Welt zu übernehmen. Vielleicht seid gerade ihr das und gerade jetzt. Ihr seid in vielem reifer, als wir es in eurem Alter waren. Ich vertraue auf euch!

Zu meiner Person:

Geboren am 2. Februar 1945 im Safiental in Graubünden und dort aufgewachsen. Ausbildung zum Psychiatrie-Pfleger in Cazis und anschliessend 20 Jahre Tätigkeit in diesem Beruf in Schaffhausen. Weitere 20 Jahre Arbeit als Arbeitsagoge (= leitet Erwachsene in geschützten Werkstätten an) mit Menschen mit Beeinträchtigungen in Chur. Seit 2010 im Ruhestand. Hobbys: Wandern, Garten, Holzen, Alphornspiel und Nachsinnen über Welt und Mensch.

Artikel und Fotos: Alexander Zinsli, CH 7078 Litzirüti, aluzi@sunrise.ch

Wir müssen Vernunft und freien Willen, die uns nur als Keime gegeben werden, ausbilden. (Adalbert Stifter)

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Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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