Anyong-haseyo aus Seoul!

Abenteuer Auslandssemester – welcher Student träumt nicht davon?

Für fast alle Studenten der DHBW Mosbach Campus Bad Mergentheim hieß es im vierten Semester „Auf und davon!“. Beworben haben wir uns im Herbst letzten Jahres für einen Studienplatz an einer Partneruniversität. Bei einem Angebot, das von der Westküste der USA bis nach Australien reicht, fällt die Wahl schwer.

Ich habe mich für etwas Außergewöhnliches entschieden: Seoul, Südkorea.

Ende Februar habe ich dann mit Emirates abgehoben.

Seoul ist die Hauptstadt Südkoreas, das gemeinsam mit dem kommunistischen Nachbarland Nordkorea die koreanische Halbinsel bildet. Die Einwohnerzahl Seouls ist gewaltig: Allein in der Stadt leben 10,58 Millionen (2011) Menschen, die Metropolregion Seoul ist mit 25 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Metropole weltweit. Insgesamt gibt es in Südkorea 6 Millionenstädte (in Deutschland sind es vier, die größte ist Berlin mit, Stand 2011, 3,5 Millionen Einwohnern). Die Stadt wird durch den Han-Fluss in zwei Teile geteilt, das heißt, es gibt einige Brücken, die die Stadtzentren verbinden.

Die Chung-Ang University liegt südlich des Han-Flusses im Stadtteil Heukseok, laut einem dortigen, aktuellen Zeitungsbericht der sicherste Stadtteil Seouls. Die Universität ist riesig und liegt, zu unser aller Missmut, total am Berg! Um von der Stadt in das Studentenwohnheim zu kommen, muss man sehr viele steile Treppen gehen – Fitnessstudio überflüssig. Zur nächsten U-Bahnstation braucht man von der Uni aus nur 10 Minuten, nach Gangnam sind es sechs Stationen. Klar, dass wir hier öfter waren, ist der Stadtteil doch durch Psys „Gangnam Style“ bekannt geworden.

Ein tolles Stadtviertel ist auch Myeongdong. Es zieht die Shoppingwütigen mit seinen vielen Verkaufsständen und Shops magisch an. Abends fahren vor allem die Partysüchtigen nach Hongdae. Das ist ein Studentenviertel. Hier befinden sich neben vielen Unis auch sehr, sehr viele Clubs und Bars. Auch zu empfehlen ist Namdaemun („großes Südtor“). Es ist ein 1395 erbautes Stadttor, um das herum sich viele moderne Gebäude und Shopping Malls angesiedelt haben. Zu sehen, wie sich hier Tradition mit Moderne vereint, ist unglaublich. Diese Vereinigung gibt es aber nicht nur in Namdaemun, sondern ist an fast allen Ecken in Seoul zu sehen. Im Norden Seouls befindet sich der Namsan-Berg. Hier steht auch der Seoul Tower. Ein Ausflug dorthin ist unbedingt empfehlenswert! Man kann mit einem Aufzug auf den Turm fahren und hat von dort aus einen gigantischen Blick über die Stadt.

Das Leben der Koreaner dreht sich anscheinend nur um zwei Sachen: Handy und Essen. Es war erstaunlich zu sehen, dass alle, wirkliche ALLE Koreaner ein Handy haben und vermeintlich mit diesem verheiratet sind. Egal ob Kinder, Jugendliche oder alte Menschen, die längst im Rentenalter sind, keiner legt sein Handy aus der Hand. Die Koreaner sitzen in der U-Bahn und tippen entweder wie blöd auf ihr Smartphone ein oder sie haben eine Riesenantenne dran und schauen Fernsehen. Selbst beim Verlassen der Bahn oder beim Treppensteigen steckt keiner sein Handy weg. Diese Gewohnheit war nicht nur verrückt für mich, sondern vor allem nervig: Keiner macht einem Platz, andauernd wird man angerempelt, weil die Leute nur auf ihr Smartphone starren. Abgesehen davon sind die Koreaner aber durchaus hilfsbereit: Wir standen in einer kleinen Gruppe in Gangnam und haben auf Freunde gewartet. Sofort kam ein junger Koreaner auf uns zu und fragte, wo wir hinwollen und ob er helfen könne.

Der zweite Lebensmittelpunkt scheint das Essen zu sein: An jeder Ecke gibt es Straßenküchen, an denen auch immer ein Hungriger steht. Außerdem lieben die Koreaner ihr Barbecue. Und damit haben sie uns alle angesteckt. In jedem Tisch im Restaurant ist ein kleiner Grill eingelassen. Oftmals gibt es „All you can eat“-Angebote: Nimm dir so viel Fleisch und Gemüse, wie du magst und grille es auf deinem Tisch – für umgerechnet sieben Euro!

Neben all den schönen Freizeitaktivitäten finden aber auch noch Vorlesungen statt. Ich habe mich für die folgenden Kurse entschieden: Financial Management, Business Economics, Consumer Behavior, Personell Management und Discussion in Public Affairs. Diese sind kompatibel zu den Kursen, die ich hier in Deutschland hätte belegen müssen und werden mir so angerechnet.

An der Chung-Ang University gibt es nicht nur ein Final Exam, das dann die Note bestimmt, sondern auch noch Midterm Exames, Mitarbeitsnoten, Punkte für Anwesenheit und Gruppenprojekte. Diese empfand ich eher als nervig, da meine Teammitglieder öfter ins Koreanische fielen, so dass ich kein Wort verstanden habe. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Koreaner nicht allzu gut Englisch sprechen können  bzw. sich dafür schämen. Sie belegen trotzdem die englischsprachigen Kurse, da hier die Noten besser ausfallen: 70% der Klasse bekommt ein A (also eine 1), 20% ein B und nur 10% ein C. Beispielsweise hat der/die Beste 100 von 100 Punkten und der/die nächstbeste nur 65 von 100 Punkten – aber beide bekommen ein A, da sie beide zu den ersten 70% gehören.

Anders als in der Dualen Hochschule Bad Mergentheim bzw. anders als in Deutschland allgemein, werden hier fast jeden Tag Hausaufgaben erteilt, die dann bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in ein Online Portal hochgeladen werden müssen und oftmals benotet werden. Eine Vorlesung dauert 75 Minuten. Ich habe bei meinem Stundenplan immer 90 Minuten Pause zwischen den Vorlesungen gehabt – optimal für ein Schläfchen.

Als Anfang April die Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea zugenommen haben, habe ich mich dazu entschieden, das Land zu verlassen und das Semester doch in Bad Mergentheim zu belegen. Die Südkoreaner selbst reagieren gelassen auf Kim Jong-ils Drohungen, schließlich ist die koreanische Halbinsel schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gespalten. Für mich war die Situation allerdings nicht sonderlich angenehm und mir fiel es schwer, mich bei den News noch auf die Uni zu konzentrieren.

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Ich kann trotzdem jedem empfehlen, vielleicht besser erst, wenn die Spannungen sich legen, Südkorea zu besuchen. Auch ein Auslandssemester allgemein, egal wo, ist empfehlenswert: Es entstehen Freundschaften, man sammelt Erfahrungen fürs Leben und wächst über sich selbst hinaus.

 

Julia Dürr

 

Materialien für Lehrer und Schüler

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