Bildung – Ein Luxusgut?

„Bildung und Qualifizierung sind die Voraussetzung für individuelle Lebenschancen und gesellschaftliche Teilhabe. Gut ausgebildete und hoch qualifizierte Fachkräfte sind der Schlüssel für Wachstum, Wohlstand und Fortschritt unserer Gesellschaft. Wir müssen deshalb alles dafür tun, dass die Menschen in unserem Land ihre Talente und Fähigkeiten unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem sozialen Status voll entfalten können.“ Diese Aussage ist von der Bildungsministerin Prof. Dr. Anette Schavan.
Bildung als höchstes Gut in einem Land, in dem sich die Kluft zwischen Arm und Reich stetig vertieft, in einem Umfeld, in dem vordergründig beruflicher Erfolg und Vermögen für Anerkennung sorgt und in einer Gesellschaft, die man auch als Leistungsgesellschaft zu bezeichnen mag.
In einer solchen Allgemeinheit ist es von dringender Notwendigkeit, dass sich die Chancen auf uneingeschränkte Bildung für alle Menschen gleich gestalten und eine Benachteiligung von sozial schwachen Familien ausgeschlossen werden kann.
Doch ist soziale Gleichberechtigung in unserem Land wirklich umsetzbar?
In den 60er Jahren sprach man von einer Bildungsexpansion, die den Kindern von Deutschland neue Möglichkeiten in der schulischen Ausbildung bot und ihnen neue Wege offenbarte, ihre beruflichen Träume zu realisieren. Doch konnte somit auch Chancengleichheit für die Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten realisiert werden?
Die in den meisten Bundesländern bestehenden Studiengebühren widerlegen eine solche Vorstellung von Gleichberechtigung. Junge Menschen brauchen ein gewisses Kapital, um sich das Studium finanzieren zu können. Wer jedoch die benötigten Geldmittel nicht vorweisen kann, ist entweder gezwungen sich durch einen Studentenkredit in jungen Jahren schon hoch zu verschulden oder muss sich um ein Begabtenstipendium bewerben. Die Begabtenförderungswerke in Deutschland verkörpern für junge Studenten oftmals die einzige Hoffnung auf eine Finanzierung des Studiums. Doch die Anforderungen an die Jugendlichen für den Erhalt eines solchen Stipendiums sind hoch.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schreibt: Eine Bewerbung um ein Stipendium setzt „überdurchschnittliche Leistung in Schulen und Studium“ voraus. Doch genau hier liegt der Ursprung des Problems der Ungerechtigkeit in der Begabtenförderung. Kinder aus sozial schwächeren Familien haben schon von Geburt an nicht die gleichen Chancen wie Kinder aus Akademikerfamilien. Um sich ihr Studium finanzieren zu können, müssen viele nebenbei arbeiten und haben so für soziales Engagement kaum noch Zeit. Und auch schon in der Schulzeit sind Ferienjobs Bestandteil des Alltags von Kindern aus sozial schwächeren Familien. Diese Tätigkeiten nehmen viel Zeit in Anspruch. Zeit, die Kinder aus reicheren Familien zum Lernen und somit zur Verbesserung ihrer Leistung nutzen können. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Finanzierung von Nachhilfestunden. Ausgebildete und qualifizierte Nachhilfelehrer sind teuer und kosten in der Regel zwischen 12 und 24 Euro pro Stunde. Um effizient die schulische Leistung verbessern zu können, benötigen die Kinder jedoch mehrerer Stunden Nachhilfe wöchentlich, was wiederum eine hohe finanzielle Belastung für die Eltern nach sich zieht. Die individuelle Förderung der schulischen Leistung bleibt somit vor allem Kindern, deren Eltern ein hohes Einkommen aufweisen können, vorbehalten. Folglich haben Kinder aus reicheren Familien bessere Voraussetzungen für einen „überdurchschnittlichen“ Schulabschluss und somit auch bessere Voraussetzungen auf ein Stipendium der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Begabtenförderungswerke.
Wie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu lesen ist (www.bmbf.de), bekamen 2006 etwa 14000 Studierende ein Stipendium. Doch etwa 40 Prozent der geförderten Studenten wurden monatlich das einkommenunabhängige Büchergeld in Höhe von 80 Euro überwiesen. Was wiederum bedeutet, dass 40 Prozent der geförderten Studenten nach den Worten des Ministeriums aus Familien mit einer hohen Einkommenssituation entstammen.
Das größte und zugleich älteste Begabtenförderungswerk, die Studienstiftung des deutschen Volkes, geht als schlechtes Beispiel voran. Gerade einmal 15.89 % der Stipendiaten erhalten hier das volle Lebenshaltungsstipendium in Höhe von bis zu 585 Euro monatlich.
Wird in unserem Land also wirklich alles dafür getan, um die Forderung von Prof. Dr. Anette Schavan, gleiche Bildungschancen für alle, unabhängig von der Herkunft oder ihrem sozialen Status, zu realisieren?
Die finanzielle Situation in der Familie ist ein entscheidender Faktor für die Bildungschance einer Person und beeinflusst somit den späteren beruflichen Erfolg. Bildung als Schlüssel für Erfolg und Erfolg als Voraussetzung für finanzielle Sicherheit. Die Kinder haben nur begrenzt Chancen dem Sumpf von Hartz IV zu entkommen.
Bildung – Ein Luxusgut? Die schulische Ausbildung ist im Wesentlichen kostenfrei, doch was danach kommt, gleicht einer Immobilienfinanzierung. So müssen wir uns alle die Frage stellen:
Ist es wirklich tragbar, dass Kinder auf Wissen verzichten müssen, nur weil sie in eine arme Familie geboren worden sind.

Artikel: Lydia Spiesberger

 

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