Von Frankfurt nach Peking: Wir 22 Touris tauchten bildungshungrig ins „Reich der Mitte“ ein. Dieses empfing uns heiß, sechs Stunden Zeitverschiebung, im Bus fiel die Klimaanlage aus und zu trinken gab es zunächst auch nichts, der Durst wurde am „Nabel der Welt“, kaiserliche Opferstätte, mit Wissen gestillt.

„Platz des himmlischen Friedens“, bekannt bei uns für blutige Unterdrückung, sog uns in seinen gigantischen Ausmaßen auf. Wir „Langnasen“ wurden fotografiert, mussten uns zu Kindern stellen, in einwandfreiem Englisch dazu aufgefordert, überall Chinesen mit modernen Kameras, attraktiv aussehende junge Chinesinnen mit schicken Sonnen-Brillen, ein Land im Aufbruch, ein Energiepotential der Masse beginnt sich zu bewegen, nicht dumpf mit Eimer und Schippe, sondern mit Notebook, Laptop und Entschlossenheit.
Wenige Kilometer außerhalb der Millionenstädte, und deren gibt es viele, Agrarmittelalter, kaum asphaltierte Straßen, eine Kfz.-Werkstatt an der anderen, kilometerlang, Riesenwerbeplakate über den dunklen „Werkstatt-Löchern“, davor hoch gebockte LKW, viele Menschen und wenig Taten, hier konnten wir unsere Vorurteile wenigstens wieder aktivieren. Hier hatten wir die Dumpfheit gepaart mit einer gewissen Feindlichkeit bis Aggressivität im Blick der Menschen, eine Jugendmasse, die wohl kaum ihren „Löchern“ entkommen wird, die gefangen sind in ihrer Rückschrittlichkeit, nicht in Blick auf uns Europäer, sondern im Vergleich zu ihren dynamischen Landsleuten in den Großstädten.

Shanghai, die Boom-Stadt der Welt. Hier werden mehr Hochhäuser gebaut als in der gleichen Zeit in der ganzen Welt, hier versetzen Visionen Berge, hier stampft Planung Riesenhäfen und eine Drei- Millionen-Stadt aus dem Boden, heute Dreck und Lehm, morgen „Gigantia“, das ist kein Turmbau zu Babel mehr, das ist eine Stadt, die sich zum Schöpfergott aufschwingt. Hier eine jugendliche Energie, ein geballter Wille zur Tat, rücksichtslos, entschlossen und von unbändigem Glauben, den sich beständig beschleunigenden Fortschritt genau in dieser Stadt gepachtet zu haben, eine Mischung aus Perfektion und Chaos, die typische Geburtsstätte alles Großen.
Wir fahren mit der Magnetschwebebahn zum Flughafen, in acht Minuten sind wir auf 436 Kilometer, wenige Sekunden lang, dann wird schon wieder abgebremst, sinnlose Energieverschwendung, aber uns Deutschen wird gezeigt, was Tempo ist. Überall junge Menschen, Aktenkoffer, Laptop, Anzug, sie hasten dahin, atemlos jagen sie diese Stadt voran, Bremsen gibt es nur in der Schwebebahn, nicht im Fortschrittsglauben, nicht im Tun. Gut ausgebildet, voll Tateneuphorie, entschlossen zur Perfektion und vollem Einsatz werden wir Europäer diese Konkurrenz wohl schmerzhaft, in manchen Bereichen vernichtend zu spüren bekommen.

Hongkong erreicht. Auf der Bergspitze herrlichen Blick, die charmante Stadtführerin erklärt die Hochhäuser, ich mache schnell noch Fotos, dann setzt der Regen ein, volle Kanne Regen, die Duschdüsen des Himmels liegen über der Stadt und kein verständnisvoller Touri-Gott dreht die Hähne zu. Es ist Regenzeit, das haben wir in den Reiseführern gelesen, jetzt wissen wir, was Regenzeit heißt.
Fast drei Wochen sind inzwischen rum, mein China-Kanal ist voll, voll der Eindrücke, der Massen, des Unvereinbaren, des Erschlagenden, auch körperlich fertig, 35 ° Hitze, die nachts kaum abkühlt, Klimaanlagen, die einen schlottern lassen vor Kälte, feuchte Schwüle, die die Schweißströme als weiße Salzränder an der Hose ablagern.
Hongkong, welch andere Welt voll Widersprüche. Weg sind die unhöflichen Chinesenmassen, die drängend über alles hinweg sich walzen, auf jeden Fall über jede Rücksichtsnahme und Höflichkeitsform, hier in Hongkong grüßt englische Disziplin: Mit Schirm bewaffnet in Regenströmen stehen sie in langen Schlangen auf dem Gehweg, um auf den Bus zu warten. Die Jugend jedoch bewegt sich zwischen Dekadenz und Konsum-Suff. Sie tragen schwarze Brillengestelle, als wäre der „Kübelblöker“ Deutschlands der Brillen-Designer des chinesischen Fielmanns. Die Haare gefärbt, so blonder, so besser, sieht bescheuert aus, die Kleidung auffallend bis schrill, jeder jugendliche Hilfs-Verkäufer scheint in der nächsten Minute schon einen Schlagerauftritt zu haben und am Tag fürs Nachtleben warmzulaufen. An jedem Verkaufstisch in den Konsumtempeln eine super gestylte, junge Verkäuferin. Kaufsüchtige wälzen sich durch die Gänge, doch sie drängen sich mehr, als dass sie kaufen. Überall Lärm. Aus einem Werbe-Fernseher wird auf Deutsch die neueste Bratpfanne vorgestellt, es stört niemanden, dass ich wohl der Einzige im Kaufhaus bin, der sprachlich den Spiegelei-Bratpfannen-Ausführungen folgen kann. Auch Dunlopillo aus Tauberbischofsheim ist in der Bettenabteilung vertreten, ich hatte fast schon mein Kauf-Heimspiel.
Ich fahre Rolltreppe um Rolltreppe höher, durchstreife Etage um Etage, dann endet mein „Rolltreppenaufstieg“ in der Abteilung der in Glaskästen eingesperrten Plüschtiere, die nach Geldeinwurf mit Greifarmen befreit werden können. Kichernde Mädchen bemühen sich darum, gekleidet in der süßlich kitschigen Farbe Rosa, die Handtaschen passend dazu. Am Ende der Plüschtier-Käfighaltung blitzt rotes

Licht und das Staccato von Metal-Klängen, ich tauche ein in die Welt der Spielautomaten. Ein jugendliches Entladen bei Spielsucht, Fun und Freundestreff. Hier der einsame Musiker, der nach einer Melodie die Tasten drückt und auf Farbe und Punkte achtet, dort die ausgelassenen Schülerinnen beim Trommeln, Jung-Mädchen pur, dann der einsame Rächer. Mit der Pistole in der Hand zielt er auf Gegner in amerikanischen Spielszenen, rechts unten rattern seine Punkte. Unbeirrt steht er da und feuert, ein Hort der Konzentration in all dem Lärm, der einsame Rächer im Kampf gegen das Böse. Daneben Stimmung, drei Jungs, jeder mit einem Gewehr, auch wieder Kriegsszenen auf dem Bildschirm, sie feuern sich gegenseitig an, sie sind der Trupp, das Sonderkommando, sie kämpfen, sie punkten, die Feinde werden zerfetzt, werden aus Häusern und Autos geschossen, diese gehen immer wieder in Flammen auf und weiter, weiter, drauf halten, feuern, immer wieder feuern.

Hinten abseits ein Liebespärchen. Auf dem in sich abgeschlossenen Bildschirm läuft ein Bankeinbruch. Eng beieinander stehen die beiden, die Pistole jeweils in der Hand, der modisch gestylte Jüngling presst die Lippen zusammen, zielt, feuert, die Verbrecher sacken in sich zusammen, voll verbissener Konzentration erledigt er einen nach dem anderen. Seiner Freundin gibt er kurze Schießbefehle, sie gibt ihr Bestes, Kampf erfahrene Schützin, doch immer wieder lacht sie auf, daneben, Volltreffer, wieder daneben, immer wieder dieses entspannte Auflachen, ihr Partner feuert währenddessen unbeirrt und gnadenlos weiter. Er hört sie nicht, er ist im Einsatz.

Was ich erwartete, geschah, ein Aufseher machte mich darauf aufmerksam, dass Fotografier-Verbot herrsche, ich steckte sofort entschuldigend lächelnd die Digi-Cam weg, hatte ich doch heimlich alle gewünschten Aufnahmen auf meinem Chip.
Als wir aus dem verregneten Hongkong mit dem Flugzeug zum Nonstop Flug nach Frankfurt abhoben, war ich gesättigt und müde an den noch unverarbeiteten Eindrücken …, aber dann innerlich doch sehr erleichtert nach zwölf Stunden wieder in meiner überschaubaren Provinz-Welt zu sein.
Ich habe eine Welt gesehen, die mich in ihrer Aufbruchsstimmung faszinierte, die mich in ihren Massen ohne geachtete Individualität abschreckte, die mir in ihren rücksichtslosen Fortschrittstaten Angst machte, eine Welt mit einem ungeheuren Markt, mit einer ungeheuren Konkurrenz, während Europa dahin dümpelt ohne tiefgreifende Reformen, politisch gelähmt, ohne Vision, Entschlossenheit und dem notwendigen Biss, diese asiatische Herausforderung anzunehmen. China erwacht und Europa schläft!!
Artikel und Fotos: Klaus Schenck (2005)
Materialien für Lehrer und Schüler



- Welche Idee steckt dahinter: „Der Nischenkanal der Abi-Kämpfer“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/der-nischenkanal-der-abi-kaempfer/
- Alle Abi-Materialien auf einen Blick: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/abi-vorbereitung/ und Power-Paket für Abi-Kämpfer: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/gesamt-strategie-fuer-abi-kaempfer/
- „Die Stillen in der Schule“ – Ermutigung + Strategien bei Introversion – zum Lesen, Ausdrucken und Anhören: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/
- „Jugend im Selbstspiegel“ – eigene Texte mit Zeichnungen, präsentiert in einer öffentlichen Lesung: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/der-mensch-mit-dem-schizophren-denkenden-herzen-und-der-verwirrten-seele/
- „Handy, Schule und unser Gehirn“, neurologisch-psychologische Forschungsergebnisse in Blick auf Handys und soziale Medien: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/
- „Handyverbot an Schulen – und wir haben ein Problem weniger!“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/handyverbot-an-schulen/
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Für 2025: Nicht piensen + klagen → anpacken + tun!

Für ukrainische Jugendliche habe ich meine Internetplattform zur Verfügung gestellt. Gleiches wollte ich jüdischen Jugendlichen anbieten und mailte alle jüdischen Gymnasien an – bis jetzt ohne Antwort. Mir wäre wichtig gewesen, jüdisches Leben in Deutschland sichtbar zu machen. Ich bereite für Oberstufenschüler kostenlos im Internet die aktuellen Deutsch-Abi-Werke vor, schreibe für das städtische Mitteilungsblatt und ein Infoblatt in Arosa und als Pressewart für unseren Tennisclub. Alles nichts Weltbewegendes, aber es ist ein konkretes Tun, ein konkretes Engagement, ein konkreter Dienst für andere. Das nimmt mir das sinnlose Grübeln, Ängstigen und Verzweifeln an einer Welt, der ich mich hilflos ausgeliefert fühle.
Für 2025: Vier Schritte: Träumen, Wollen, Tun, Bekommen!
Der „Wenn“ und der „Hätt“ henn noch nie was g´hätt.
Klaus Schenck
„Gebt nicht auf! Für den Triumph des Bösen braucht es nur eines – die Untätigkeit der Guten.“ (Nawalny)