Danke … eine Ironie des Schicksals

Liebe Jugendliche,

es liegt schon Jahrzehnte zurück, da kamen die Redakteurinnen der Schülerzeitung an meiner damaligen Schule auf die Idee, ihre Gedichte nicht nur in den jährlichen Ausgaben der Schülerzeitung abzudrucken, sondern eine öffentliche Lesung zu veranstalten, bei der sie ihre Gedichte selbst vortragen. Dieses „selbst“ war ihnen sehr wichtig. Sie wollten gehört werden, es war ihr Bekenntnis zu sich, zu ihrem Denken und Fühlen, zu ihrer Situation. Für eine Schülerin sollte es eine gezielte Botschaft an ihren Vater werden.

Diese Schülerin war ein Scheidungskind und lebte bei ihrem Vater, zu dem sie ein sehr angespanntes Verhältnis hatte, verbunden mit viel gegenseitiger Sprachlosigkeit. In einer großen Pause kam sie im Schulhof weinend auf mich zu. Ihr Vater hatte an ihrem Computer all ihre Gedichte gelöscht, keines war mehr vorhanden, alles weg. Ich konnte sie gleich beruhigen: „Du hast mir doch schon alle Gedichte gegeben, die sind bei mir abgespeichert!“ Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits die Planungen für die Lesung. Bei dieser war dann auch ihr Vater anwesend, ich vermute, das war für die Schülerin das Wichtigste. 

In der Redaktion arbeitete ein Junge mit, der zeichnerisch ungemein begabt war. Er bekam alle Gedichte und gestaltete zu jedem eine Zeichnung. Bei der Lesung projizierten wir seine Zeichnungen auf eine Leinwand, während die Schülerinnen ihre Texte lasen. Zwischen den einzelnen Gedichten hatten wir kurze Musikstücke ausgesucht.

Die Lesung selbst war an der Schule, aber auch vor Ort nicht unumstritten. Der Vorwurf lautete, alles sei zu persönlich, in so einem öffentlichen Rahmen dürften so intime Texte nicht vorgelesen werden und schon gar nicht von den Verfasserinnen selbst. Natürlich war alles eine Gratwanderung, über die wir uns im Klaren waren. Bei jedem einzelnen Gedicht überlegten wir, ob es qualitativ gut und für die Zuhörer angemessen sei; mir als beratendem Lehrer war wichtig, dass sich keine Schülerin mit dem Text selbst schadet. So bedurfte es einer gewissen Überzeugungsarbeit, psychisch problematische Texte auszusortieren – zunächst gegen den Protest der jeweiligen Verfasserin. Gerade bei so einem Projekt trägt man als beratender Lehrer eine ungemeine Verantwortung – nicht nur für den jungen Menschen, auch für dessen Familie und für sein späteres Leben.

In der Rückschau wurde diese Lesung für uns alle zu einem besonderen Erlebnis, am stärksten natürlich für die Schülerinnen. Viele Zuhörer kamen, besonders natürlich aus dem Umfeld der jeweiligen Schülerin. Jedem im Raum war bewusst, das ist keine normale Lesung eines literarischen Werkes, hier öffnen sich junge Menschen und lassen alle Anwesenden in ihre Seelen blicken. Die konzentrierte Stille bei den Zuhörern ließ Interesse, Tiefe, aber auch Betroffenheit erahnen. Wir hatten es gewagt – trotz aller Zweifel, Befürchtungen und Ängste und am Ende der Veranstaltung waren wir ungemein erleichtert, glücklich und ein wenig stolz.

Hilfreicher Link in Blick auf Jugenddepressionen: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/depression-im-kindes-und-jugendalter  


Artikel: Klaus Schenck

Text der Schülerin

„Wir sind immer für Dich da!“, …

habt ihr mir geschworen,

„immer und für alle Ewigkeit!“, …

habt ihr gesagt,

„obwohl wir nicht mehr alle drei zusammen leben.“

Ein Schlag ins Gesicht, hinterrücks, unfair.

Ein Abend, ein Tag, eine Stunde,

die meine Kindheit zerstörte.

Eine Lüge.

Wie lange dauert bei euch die Ewigkeit?

Beide lebt Ihr Eure Leben,

in denen für mich kein Platz ist.

Der eine, der mich weggegeben hat für eine Sucht,

nicht einmal versucht hat

mich zu halten,

keine Entschuldigung,

kein Wort der Reue.

Denkst du, ich habe alles vergessen,

was Du mir mit Deiner Blindheit angetan hast?

Erwachsen, glücklich, stark,

wie ich niemals war, so siehst du mich …

Ein Bild voller Lügen,

ohne haltenden Rahmen.

Der andere, den meine „Teenagerprobleme“

nie interessiert haben,

derjenige, der immer „enttäuscht“ von mir ist,

weil ich nicht so bin, wie Du bist.

Du bist derjenige, der mich als Lügnerin bezeichnet,

obwohl ich Lügen hasse.

Du, der mich für ein kleines, ungezogenes Kind hält,

an dem man ’rumerziehen kann …

Warum hast Du mich damals nicht erziehen können?

Eine Antwort …?

Du würdest sie sowieso nicht verstehen …,

weil Du es nicht ’mal probierst …

Ich liebe Euch DOCH!!

Warum Mum? Warum Daddy?

Habt Ihr meine Hilfeschreie nie gehört?

Wie konntet Ihr das zulassen, was passierte?

Mein Traum von Liebe und Geborgenheit

liegt in Trümmern vor mir,

zerstört in tausend Scherben.

Hier stehe ich … allein.

Mitten in der Realität

und dem Kampf ums (Über-)Leben.

Schülerin, 19 Jahre

Auflistung aller Jugendtexte

Alle Texte zum Anklicken:

Ordner mit allen Texten: https://www.klausschenck.de/ks/jugendseiten/jugend-im-selbstspiegel—lesung/index.html

Flyer-Text

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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