„Die Stillen in der Schule“ – 1: Vom Glück der Introversion

Liebe Schülerinnen und Schüler,

es ist schon ziemlich blöd, introvertiert oder schüchtern zu sein. So nehmt ihr es doch wahr, falls ihr zu dieser Gruppe gehört: „Fremd in der eigenen Klasse, fremd an der eigenen Schule!“ Hallo, Leute, macht mal langsam! Ich bin introvertiert, aber nicht schüchtern. Ich weiß, wovon ich schreibe, und ich war in der Corona-Zeit so was von dankbar, introvertiert zu sein! Mein Persönlichkeitsmerkmal „Introversion“, genetisch bedingt, nur begrenzt änderbar, machte mich zum Pandemie-Überlebenskünstler.

Das Leben trainierte mich, allein sein zu können, ich brauchte das Alleinsein, um wieder Atem zu schöpfen: Die Extravertierten machten mich mit ihrem Geschrei, mit ihren Ellenbogen, mit ihrem Ich-Geheule fertig, echt fertig, ich wollte nur eines: allein sein, in Stille sein, bei mir sein – Kräfte sammeln, um in der „feindlichen“ Extravertierten-Welt zu überleben. Ja, es ödete mich voll an, in einer größeren Gruppe nicht zu Wort zu kommen, unfähig zum Smalltalk zu sein – vom Witze-Erzählen ganz zu schweigen, ständig unterbrochen zu werden – falls ich doch etwas sagte, meist am Rande bei einer Veranstaltung zu stehen, irgendwie als blöd, komisch, gar als Autist abgestempelt zu werden… Introvertiert zu sein ist einfach nur Mist, für den ich mich viele Jahre schämte, ihn nicht erklären konnte und auch nirgends Verständnis fand. Allein zu sein, in Stille zu sein, bei sich zu sein – wer macht denn so was?

Und dann kam Corona! Staatlich verordneter Hausarrest. Und die Extravertierten konnten ihre Witze der Wand erzählen, ihre Grimassen schneiden, ihre Auftritte hinlegen, ihre Schau abziehen. Bald lagen die Herren der großen Schnauze nur noch im Bett, glotzten Netflix, zockten und wurden depressiv, den Damen der permanenten Modeschau ging es kaum besser: keine Bewunderung mehr, ihre Schminke für den eigenen Spiegel und ‘paar Handy-Fotos, das war’s dann aber auch. Und wir, die Introvertierten, fanden den temporären Lockdown auch nicht prickelnd, aber im „survival of the fittest“ waren wir die Best-Angepassten. Wir sind ein Leben lang „getrimmt“ auf Alleinsein – gezwungenermaßen, wir schätzen die Gesellschaft mit uns, in uns und die Bereicherung durch uns, Alleinsein heißt für uns nicht Einsamkeit, Alleinsein heißt Stärkung, Alleinsein heißt Konzentration auf das uns Wesentliche. Wir brauchen keine Claqueure, keine ständigen Likes, um zu wissen, was wir wollen, wohin wir unser Interesse lenken. Wir Introvertierten hätten uns auch gerne wieder mit anderen getroffen, Sport getrieben, essen gegangen, aber wir konnten die Situation problemlos meistern, wir mussten an unserem Alltag wenig ändern.

„Psychologie Heute“, 07/2023, S. 94

Mensch, Leute, ich sage euch, introvertiert zu sein ist ein Geschenk des Lebens! Und Corona wirbelte die Prioritäten durcheinander: Wir waren in der Pandemie die Starken – wir strukturierten unseren Alltag zu produktivem Tun, wir stellten etwas auf die Beine, wir packten an, führten zum Erfolg und erlebten Flow, Glück und Zufriedenheit. Und plötzlich war nichts mehr von dem Mangel der Introvertierten zu lesen! Was rieten denn alle Psychologen landauf, landab in Artikeln, in Medien? Genau das Leben, das wir Introvertierten voll draufhatten! Wir Introvertierten wurden zum Vorbild einer sinnvollen Pandemie-Bewältigung! Schon blöd extravertiert zu sein! Pech!

Mir geht es darum, in der Artikel-Brief-Serie zur Introversion zu zeigen, dass wir Introvertierten nicht nur Mängel-Wesen sind, die therapiert gehören, sondern Persönlichkeiten mit besonderen Stärken, die unserer Gesellschaft guttun – über Corona hinaus!

Eingelesen auf YouTube (8 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=HhRs9Qe_zCE   

Visualisierte Kopiervorlage mit Fotostory

„Ich bin nicht langweilig – ich bin nur schüchtern“: https://www.klausschenck.de/ks/downloads/g22-ha-schuechternchantallarissa.pdf

„Die Stillen in der Schule – Introversion“

Artikel-Brief-Reihe: Manuskript und Link auf YouTube

  1. „Vom Glück der Introversion“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=HhRs9Qe_zCE   
  2. Introversion/Schüchternheit – Zwei Paar ‚Psycho-Stiefel‘“:  Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/17492/ und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=UAa1wxz7914  
  3. „Introversion – Vom Kind zum Lehrer“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-3-introversion-vom-kind-zum-lehrer/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=xCkNe0SP7O4  
  4. Introversion – unsere Stärken“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-4-introversion-unsere-staerken/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=afB4xyvfNOw
  5. Introversion – In der Schule – Tipps“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-5-introversion-in-der-schule-tipps/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=UeauKeqwuAM

Zur Vertiefung für Interessierte:

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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