„Die Stillen in der Schule“ – 5: Introversion – In der Schule – Tipps

Liebe Schülerinnen und Schüler,

Introvertierte – das sind doch diese Schüchternen, Stillen, diejenigen, bei denen man nie so recht weiß, was sie denken, klar, sie sagen ja auch selten überhaupt etwas… Wir kennen Introvertierte meist als ruhige Schüler, sie machen keinen Ärger und verbringen die Pause meist allein, am Handy oder über dem Stoff für die nächste Stunde. Es widerstrebt ihnen, mit Menschen zu reden, die sie nicht kennen, Freundschaften zu schließen scheint beinahe unmöglich. Viele bezeichnen sie deswegen als schüchtern oder auch als arrogant, als hielten sie sich für etwas Besseres.”

So stellt Hannah als Betroffene ihre Sicht auf Introvertierte dar. Den ganzen Artikel findet ihr bei „Vertiefungen“ unter diesem Artikel-Brief. In der Pause verzog sie sich in die letzte Reihe, allein an ihrem Tisch, den Kopfhörer auf, innerlich komplett abgeschaltet von Pausenlärm und Klassenkameraden. Sie saß in meinem Unterricht ganz vorne, direkt vor mir, sie strahlte mich an, ich strahlte zurück, viel mehr passierte aber im Unterricht nicht. Sie kam mit dem Tempo nicht mit. Nicht intellektuell, sondern vom Themenwechsel her. Hier eine Schülerin, dort ein Schüler, Lehrerfrage beantwortet, Gegenbeispiel gebracht, widersprochen, neue Thematik, andere melden sich, die Thematik ändert sich erneut… – lebendiger Diskussionsunterricht, für Hannah eher ein thematisches Hinterherhecheln, und wenn sie sich zu einer Äußerung durchgerungen hatte, waren wir schon längst weiter, sie konnte ihre Hand gleich unten lassen. So ungefähr stellte sie es mir dar. Es machte mich als Introvertierten betroffen, aber Schule, Unterricht, Klassenzimmer waren für mich vertraute, sichere Orte, da lebte ich auf, glühte förmlich für mein Thema, es sprudelte nur so aus mir heraus, aber ich verstand Hannah, an fremden Orten ging es mir wie ihr, an einer öffentlichen Diskussion hatte ich mich fast noch nie beteiligt, die gleichen Blockaden.

Also, packen wir es gemeinsam an: Warum beteiligt ihr euch nicht am Unterricht? Ganz einfach, ihr habt Angst, etwas Falsches zu sagen. Und was passiert, wenn ihr etwas Falsches sagt? Nichts! Andere erzählen totalen „Mist“ – ohne mit der Wimper zu zucken und peinlich rot zu werden, und das war’s dann auch, es passiert nichts! Strategie: Schreibt euch, wenn ihr etwas sagen wollt, ein, zwei Stichworte auf, das verleiht Sicherheit, und dann ratzfatz den Arm hoch, vermutlich kommen noch andere vor euch dran, ihr gewinnt Zeit, ihr schaut auf euren Spickzettel, seid abgesichert und werdet staunen, wie frei ihr plötzlich sprechen könnt. Ihr nehmt euch zuhause vor, euch einmal im Unterricht zu melden und etwas zu sagen, es kann ja auch eine Frage sein. Einmal Melden, das ist euer „Pflichtprogramm“. Und wenn ihr euch gemeldet habt, macht ihr einen Strich bei dem Fach. Ihr müsst das ja niemandem erzählen, es merkt auch niemand. Eine Woche später erhöht ihr die „Meldezahl“ auf Zwei und ihr seht so über Wochen und Monate, wie euer Engagement und eure Selbstsicherheit wachsen. Und noch ein kleiner Trick: In dem Fach, in dem ihr euch mindestens einmal melden wollt, bereitet ihr den Stoff vor, ihr seid richtig gut präpariert und dann: Jetzt ist mein Moment da, jetzt spule ich mein Wissen ab! Mensch, ihr seid vorbereitet, ihr seid abgesichert, jetzt haut ‘rein und verblüfft alle mit Engagement und Wissen!

„Psychologie Heute“, 07/2023, S. 94

Nächste Strategie: Engagierte Lehrer lieben engagierte Schüler, keine große Neuigkeit, aber eine wichtige Botschaft! Wenn ihr nur passiv vor euch hinguckt, denkt der Lehrer, ihr interessiert euch null die Bohne für seinen Unterricht, ihr hättet euch nur mal kurz in der Klasse geparkt. Also, geht hin zum Lehrer und nennt euer Problem, Formulierungshilfe: „Das Thema interessiert mich echt, Sie bringen es gut rüber und ich denke auch mit, aber mir fällt als Introvertiertem das Melden schwer. Ich möchte das gerne ändern, was raten Sie mir?“ Mit diesem Satz habt ihr mehrere Fliegen auf einen Schlag „erledigt“: Der Lehrer fühlt sich nicht als Versager, ihr lobt Lehrer und Thema. Das ist schon mal die halbe Miete. Ihr nennt euer Problem, das kann man gut einordnen und ihr erbittet vom Lehrer einen Vorschlag, der Ball ist also in seinem Feld. Er wird also Vorschläge machen, vielleicht sogar ein längeres Gespräch mit euch führen, was Besseres kann euch nicht passieren. Ihr seid nicht mehr die graue Maus, ihr seid ein „bunter Hund“ für ihn, er wird sich vermutlich ins Zeug legen, euch zu helfen, euch voranzubringen, und wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, geht zu ihm hin und bedankt euch! Noch ein strategischer Hinweis: Als Introvertierte ist eure Spontaneität auf Sparflamme, meine auch. Also, ihr plant zuhause, wann ihr zu welchem Lehrer geht. Das habt ihr innerlich zigmal durchgespielt und dann tut ihr‘s!

Wenn alles nichts hilft, hier noch drei weitere Methoden: Introvertierte sind meist sehr fleißige Geschöpfe, die zur Hochform auflaufen, wenn sie brillant vorbereitet sind und sich absolut sicher fühlen. Meldet euch zu einem Referat, das voll als mündliche Leistung zählt, wie, das müsst ihr vorher mit dem Lehrer aushandeln. Ich gebe euch unten bei „Vertiefungen“ den Link zu meinen „Präsentations-Rettern“, da habt ihr extrem viele Ideen, alle stammen von mehreren Schüler-Jahrgängen, die ich bei ihren Referaten fotografierte. Die Foto-Zusammenstellung stammt von diesen Schülern. Teilweise könnt ihr euch die Referate auch auf meinem YouTube-Kanal ansehen. Das gibt euch weitere Sicherheit und ihr könnt glänzen.

Hier habt ihr eine Masse an fotografierten Präsentationsideen meiner Schüler: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/fotografierte-praesentations-ideen-1-einstieg/  

Die andere Methode geht in ähnlicher Richtung, aber ihr seid nicht so gut abgesichert. Ihr lasst euch vor der Klasse abhören und legt zusammen mit dem Lehrer den Stoff exakt fest, also ganz präzise Seitenzahlen oder Themen. Dann bereitet ihr den Stoff super vor, der Lehrer wird euch nicht reinlegen, er findet euer Engagement und euren Mut bewundernswert und wird sich an die Stoff-Eingrenzung halten.

Und nun die dritte Methode, die erfordert schon ziemlich viel Selbstvertrauen von euch, ist aber nicht so blöd. Der Lehrer soll euch bei klaren Fragen einfach aufrufen, sodass die Klassenkameraden euch nicht zuvorkommen können, so seid ihr der Chef im Ring und die Mitschüler müssen auf euren Beitrag reagieren.

Mehr kann ich euch nicht bieten! Um ehrlich zu sein, ich mache vieles ähnlich. Ich schreibe mir immer Stichwörter auf, bevor ich in einem größeren Kreis etwas sage. Und manchmal nehme ich mir gezielt vor, diesmal über meinen Introversionsschatten zu springen und mich wirklich zu melden, und zwar ganz am Anfang und ohne das Gremium groß anzuschauen. Schafft euch Sicherheit, setzt auf Fleiß und Vorbereitung, also eure Stärken, und beginnt mit dem mutigen ersten Schritt, selbstverständlich geplant! Natürlich bleibt ihr introvertiert, aber keiner merkt es mit der Zeit mehr, und plötzlich macht Schule richtig Spaß, ihr mischt mit, ihr habt euch selbst die „Extraversions-Nadel“ gesetzt und seid voll auf Engagement! Das ist doch der Hammer! Glückwunsch!

Eingelesen auf YouTube (14 Min.): https://www.youtube.com/watch?v=UeauKeqwuAM

Visualisierte Kopiervorlage mit Fotostory

„Ich bin nicht langweilig – ich bin nur schüchtern“: https://www.klausschenck.de/ks/downloads/g22-ha-schuechternchantallarissa.pdf

„Die Stillen in der Schule – Introversion“

Artikel-Brief-Reihe: Manuskript und Link auf YouTube

  1. „Vom Glück der Introversion“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=HhRs9Qe_zCE   
  2. Introversion/Schüchternheit – Zwei Paar ‚Psycho-Stiefel‘“:  Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/17492/ und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=UAa1wxz7914  
  3. „Introversion – Vom Kind zum Lehrer“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-3-introversion-vom-kind-zum-lehrer/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=xCkNe0SP7O4  
  4. Introversion – unsere Stärken“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-4-introversion-unsere-staerken/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=afB4xyvfNOw
  5. Introversion – In der Schule – Tipps“: Manuskript: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-5-introversion-in-der-schule-tipps/   und auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=UeauKeqwuAM

Zur Vertiefung für Interessierte:

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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