Du bist schuld!

Mein Leben war mal schön,

mein Leben hat mir Spaß gemacht,

mein Leben war echt lebenswert,

zumindest hab ich das gedacht.

Doch dann kamst Du,

verdammt, ich war doch noch so klein,

ich machte meine Augen zu,

ich hatte Angst vor dir, Du Schwein.

Du nahmst mir meine Kindheit,

Du bist der Mörder meiner Seele.

Wieso musstest Du das machen?

Siehst Du nicht, wie ich mich quäle?

Immer muss ich daran denken

Und ich werd es nie vergessen.

Du hast Dich an mir vergriffen,

denn du warst von mir besessen.

In diesem Augenblick,

als meine Unschuld vor Dir stand,

konntest du Dich nicht beherrschen,

immer näher kam die Hand,

bis sie hatte, was sie wollte,

und sie nahm aus mir ein Stück,

das ich nie mehr kriegen sollte,

keiner gab’s mir je zurück.

Die Jahre sind vergangen,

doch meine Kindheit holt mich ein,

immer dann, irgendwann,

frag ich mich: „musste das sein?“

Ich breche ein Gebot,

jage Dich in Deinen Mauern,

ich bringe Dir den Tod…,

…endlos lange soll er dauern…

anonym: Schülerin, 17 Jahre

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Flyer-Text

Liebe Jugendliche,

es liegt schon Jahrzehnte zurück, da kamen die Redakteurinnen der Schülerzeitung an meiner damaligen Schule auf die Idee, ihre Gedichte nicht nur in den jährlichen Ausgaben der Schülerzeitung abzudrucken, sondern eine öffentliche Lesung zu veranstalten, bei der sie ihre Gedichte selbst vortragen. Dieses „selbst“ war ihnen sehr wichtig. Sie wollten gehört werden, es war ihr Bekenntnis zu sich, zu ihrem Denken und Fühlen, zu ihrer Situation. Für eine Schülerin sollte es eine gezielte Botschaft an ihren Vater werden.

Diese Schülerin war ein Scheidungskind und lebte bei ihrem Vater, zu dem sie ein sehr angespanntes Verhältnis hatte, verbunden mit viel gegenseitiger Sprachlosigkeit. In einer großen Pause kam sie im Schulhof weinend auf mich zu. Ihr Vater hatte an ihrem Computer all ihre Gedichte gelöscht, keines war mehr vorhanden, alles weg. Ich konnte sie gleich beruhigen: „Du hast mir doch schon alle Gedichte gegeben, die sind bei mir abgespeichert!“ Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits die Planungen für die Lesung. Bei dieser war dann auch ihr Vater anwesend, ich vermute, das war für die Schülerin das Wichtigste. 

In der Redaktion arbeitete ein Junge mit, der zeichnerisch ungemein begabt war. Er bekam alle Gedichte und gestaltete zu jedem eine Zeichnung. Bei der Lesung projizierten wir seine Zeichnungen auf eine Leinwand, während die Schülerinnen ihre Texte lasen. Zwischen den einzelnen Gedichten hatten wir kurze Musikstücke ausgesucht.

Die Lesung selbst war an der Schule, aber auch vor Ort nicht unumstritten. Der Vorwurf lautete, alles sei zu persönlich, in so einem öffentlichen Rahmen dürften so intime Texte nicht vorgelesen werden und schon gar nicht von den Verfasserinnen selbst. Natürlich war alles eine Gratwanderung, über die wir uns im Klaren waren. Bei jedem einzelnen Gedicht überlegten wir, ob es qualitativ gut und für die Zuhörer angemessen sei; mir als beratendem Lehrer war wichtig, dass sich keine Schülerin mit dem Text selbst schadet. So bedurfte es einer gewissen Überzeugungsarbeit, psychisch problematische Texte auszusortieren – zunächst gegen den Protest der jeweiligen Verfasserin. Gerade bei so einem Projekt trägt man als beratender Lehrer eine ungemeine Verantwortung – nicht nur für den jungen Menschen, auch für dessen Familie und für sein späteres Leben.

In der Rückschau wurde diese Lesung für uns alle zu einem besonderen Erlebnis, am stärksten natürlich für die Schülerinnen. Viele Zuhörer kamen, besonders natürlich aus dem Umfeld der jeweiligen Schülerin. Jedem im Raum war bewusst, das ist keine normale Lesung eines literarischen Werkes, hier öffnen sich junge Menschen und lassen alle Anwesenden in ihre Seelen blicken. Die konzentrierte Stille bei den Zuhörern ließ Interesse, Tiefe, aber auch Betroffenheit erahnen. Wir hatten es gewagt – trotz aller Zweifel, Befürchtungen und Ängste und am Ende der Veranstaltung waren wir ungemein erleichtert, glücklich und ein wenig stolz.

Hilfreicher Link in Blick auf Jugenddepressionen: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/depression-im-kindes-und-jugendalter  


Artikel: Klaus Schenck

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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