Europareise

Mein neugieriger Geist weckte schon früh die Reiselust in mir. Schon immer träume ich davon meinen kleinen Heimatort zu verlassen und die Welt zu entdecken: Raus gehen, alle Eindrücke in sich aufsaugen, Menschen aus anderen Ländern, Kulturen mit ihren ganz eigenen Geschichten kennen lernen, Erfahrungen sammeln, die überall in der weiten Welt verborgen liegen und mich und mein Leben bereichern – mir die Welt näher bringen. Genau das war es was mich keine Sekunde zögern ließ als ich die Pläne meiner Freunde hörte mit dem Rucksack durch Europa zu ziehen. Da musste ich mit: Raus gehen und die Welt entdecken, angefangen mit Europa.

So standen ich und vier Freunde wenige Wochen später am Bahnhof mit unseren Tickets zur Welt – naja, eigentlich zu Europa – in der Hand. Die Rucksäcke umgeschnallt durften wir uns jetzt stolz „Interrailer“ nennen. Das Abenteuer „mit dem Zug durch Europa“ konnte also losgehen.

Zwischenstopp: Prag

Nach sieben Stunden, die wir uns mit Nickerchen, Spielen und den ersten Bierchen unserer langen Reise vertrieben hatten, fuhr unser Zug Prag ein. Mit Hilfe unseres Reiseführers gelangten wir ziemlich schnell an unser Hostel. Angekommen, eingecheckt, geduscht und weiter ging’s: Erst einmal essen und dann einen Blick in die Hostel eigene Bar werfen. Dabei erstaunten uns nicht nur die billigen Preise. Viel eindrucksvoller waren die verschiedenen Persönlichkeiten, die die Bar füllten. Wenige Sekunden später fanden wir uns an einem Tisch voller junger, reiselustiger Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern in angeregte Gespräche verwickelt wieder. Die Offenheit mit der man sich dort begegnete verblüffte mich. Jeder war neugierig auf die Herkunft, Erlebnisse und Reisepläne der anderen. Es herrschte eine Atmosphäre voll von Unbeschwertheit und Neugierde. Mit dieser Stimmung im Gepäck machten wir uns los, um die umliegenden Bars und Clubs zu erkundigen. Schließlich landeten wir in einem Szeneclub, der alles noch viel unwirklicher erscheinen ließ. Wörter wie „stylisch“ oder „avantgardistisch“ wären untertrieben um die Gestalten, die die Tanzfläche schmückten zu beschreiben: Ein Mädchen im Stewardess-Dress gekleidet, ein Prager Junge mit Afro und Hornbrille im 70er Look, ein anderer tanzt mit Flieger-Sonnenbrille in dem sowieso schon ziemlich düsteren Raum. Ist das die Prager Untergrundmode? Voll von diesen Eindrücken gingen schließlich ins Bett, um am nächsten Tag den Zwischenstopp in Prag vorerst zu beenden und ausgeruht das nächste Ziel anzusteuern:

Die erste Station: Das Hip Hop Kemp in Hradec Králové

Als die Reiseroute in etwa stand – „erst in den Osten und dann Richtung Norden“ – und wir hörten, dass das Hip Hop Kemp während unserer geplanten Reisezeit in der Nähe von Prag statt finden würde, war sofort klar, dass dieses zu einer Station unseres Trips werden würde. Das bedeutete natürlich einiges an Zusatzgepäck – Zelte, Schlafsäcke, Isomatten… Aber wie es der Zufall so wollte hatte eine aus unserem Fünfergespann Bekannte, die sich mit dem Auto auf den Weg zum Hip Hop Kemp machten. So hatten wir nicht nur das Glück, dass wir einen Zeltplatz freigehalten bekamen und eine „Rückfahrgelegenheit“ für unser Zusatzgepäck fanden, sondern wir wurden auch gleich freundlich empfangen und lernten sehr interessante Menschen kennen. Anders als geplant war leider nur noch Platz für eines unserer beiden Zelte, so dass es sich zwei der Jungs im Vorzelt bequem machen durften.

Kaum angekommen zogen wir dann auch schon los um das Festivalgelände zu erkunden. Neben der Mainstage fanden wir einige Hangar vor, die abends von den unterschiedlichsten Musikrichtungen erfüllt werden sollten. Alles in allem herrschte eine lockerere und natürlichere Atmosphäre als wir es von den großen Festivals in Deutschland kannten. Dementsprechend fehlte aber auch „die deutsche Gründlichkeit“, so dass das mit vielen unbekannten Namen beschriebene Line-up dem Chaos zum Opfer wurde und wir leider nicht alles zu sehen bekamen. Die Qualität des Festivals litt jedoch keinen Falls unter der Organisation: Wir genossen nachmittags die Sonne auf dem der Mainstage gegenüberliegenden Hügel, während wir jazzigen Hip-Hop-Klängen lauschten und tanzten abends im strömenden Regen mitten in der tobenden Menge zum schwedischen Mainact oder folgten den Old-School-Hip-Hop-, Dancheall-, Reggae- oder UK-Grime-Beats der DJs und DJanes, die die Turntables in den Hangars heiß laufen ließen.

Wenn die Lautsprecher der Bühnen morgens noch ruhten, saßen wir in unseren Campingstühlen unter dem Pavillon, ernährten uns von Konserven und lernten unsere Zeltnachbarn besser kennen, wobei die Wiese nach und nach mit Bierdosen „befliest“ wurde.

Alles in allem war das Hip Hop Kemp ein berauschendes Erlebnis für Ohren und Seele und ein gelungener Auftakt unseres Trips durch Europa.

Zweite Station: Prag und diesmal wirklich!

Das erste Schnuppern in Prag hatte uns alle richtig neugierig gemacht, so dass wir gespannt dem ersten richtigen Aufenthalt entgegen blickten. Diesmal wollten wir die Stadt erkunden, all die schönen Gebäude, Statuen und vor allem aber auch die Burg. Erschöpft vom vergangenen Wochenende beschlossen wir uns den von unserem Hostel empfohlenen Fremdenführer zu gönnen.

Nach dem Frühstück wurden wir also von Paul, einem gebürtigen Briten, in unserem Hostel abgeholt und begaben uns auf eine Expedition durch die Geschichte dieser wundervollen Stadt. Zu Fuß bewunderten wir die historischen Gebäude, während Paul uns die geschichtlichen Hintergründe aufführte, allen voran die zahlreichen Fensterstürze, und uns mit witzigen Anekdoten unterhielt. Mit britischem Humor erzählte er uns von den Verteidigungsversuchen der tschechischen Bevölkerung zu Zeiten des „Prager Frühlings“: Um die Stadt vor der damals bevorstehenden Invasion der Sowjets zu schützen, haben die Bewohner Straßenschilder verdreht, übermalt oder entfernt, so dass die Panzer erst nach einer mehrstündigen Irrfahrt ihr Ziel erreichten. In der Stadt angekommen hielt die Verwirrung der Roten Armee allen Anschein nach noch an, denn sie eröffnete das Feuer auf das Nationalmuseum, das mit großen Lateinischen Lettern auch als solches gekennzeichnet ist (!), in der fälschlichen Annahme es sei ein Parlamentsgebäude.

Pauls Geschichten machten den langen Weg vom Wenzelsplatz, über die Altstadt, das Judenviertel und die Karlsbrücke bis hin zur Burg zu einem unterhaltsamen Erlebnis. Den Abschluss der Sightseeingtour bildete der majestätisch wirkende Veitsdom. Die Fenster der gotischen Kathedrale faszinierten mit atemberaubender Glasmalerei, aber vor allem auch mit einem Firmenlogo, das zwischen den biblischen Motiven schimmerte. Wie uns Paul aufklärte gehört dies zu einer örtlichen Bank, die Sponsor der neuen Fenster war.

Den Rest des Tages erkundeten wir auf eigene Faust die Stadt, bummelten durch Läden und schnüffelten in Museen. Als die Sonne unterging kamen wir erschöpft im Hostel an und begaben uns mit unserem Gepäck auf den letzten Fußmarsch in Prag in Richtung Hauptbahnhof. Dort erwarteten uns schon unsere frisch gemachten Betten im Nachtzug nach Warschau…

Zwischenaufenthalt: Erlebnis Nachtzug

Eine enge Kabine, sechs Betten auf gefühlten zwei Quadratmetern, jeweils drei übereinander, über der Tür ein kleiner Stauraum für das Gepäck und ein kleines Fenster gegenüber der Tür – das war unser Schlafgemach für die fünfte Nacht unserer Reise. Nicht geräumig, dafür aber gemütlich – das Richtige nach einem anstrengenden Tag auf den Beinen. Glücklich darüber sich nicht mehr bewegen zu müssen – bzw. zu können – breiteten wir unsere Schlafsäcke aus und ließen den Abend mit Musik, Fressalien und einem Gute-Nacht-Bier in den Betten ausklingen. Unsere Erschöpfung sorgte dafür, dass wir uns von der Enge nicht weiter beirren ließen.

Schließlich war es nicht die Räumlichkeit, sondern der ominöse Schaffner, der uns zu kurz zu bedenken gab. Nach wenigen Minuten Fahrt forderte er zunächst einmal in gebrochenem Englisch unsere Personalausweise und Zugtickets ein, die er, wie wir nach langem Rätseln herausfanden, über Nacht aufbewahren würde. Nach anfänglichem Zögern blieb uns schließlich nichts anderes übrig als ihm unsere Papiere für die Nacht zu überlassen. Wenig später beehrte er uns wieder, um nach einer Zigarette zu fragen, die er gerne zusammen mit einem Bier genießen würde, wie er uns erklärte. Auf dem Weg zum Bad fanden wir ihn auch nur wenige Kabinen weiter an, wie er beides genüsslich konsumierte. Als wir kaum später auf dem Rückweg wieder bei ihm vorbei kamen, mussten wir überrascht feststellen, dass unser Schaffner mit dem Bier in der Hand über seinem Buch eingenickt ist. Mit ähnlicher Gelassenheit fanden auch wir schließlich zur Ruhe und unsere Müdigkeit bescherte uns einen ruhigen Schlaf. Am nächsten Morgen weckte uns ein ausgeschlafener Schaffner. Munter gab er uns unsere Papiere zurück, während es draußen noch dämmerte. Anders als der Schaffner wären wir gerne noch liegen geblieben. Leider blieb uns aber nichts anderes übrig als aufzustehen, denn in wenigen Minuten würden der Zug an der nächsten Haltestelle ankommen: Warschau Hauptbahnhof

Dritte Station: Warschau

7:00 Uhr, Warschau Hauptbahnhof. Eine Gruppe Jugendlicher irrt wahllos durch die Gänge, Treppen und Haltestellen des Bahnhofsareals. Vermutlich lag es an unserer Müdigkeit, dass wir nach unserer Ankunft erstmal die Orientierung verloren. Voller Tatkraft marschierten wir zielsicher in Richtung Bushaltestelle, wo wir laut Reiseführer den Bus zu unserem Hostel finden würden. Dort angekommen mussten wir jedoch verstört feststellen, dass wir keinerlei Zloty in den Taschen hatten. Somit begaben wir uns nochmal in die Irrgänge des Warschauer Bahnhofs, um Geld zu wechseln. Wieder zahlungsfähig warteten wir auf den richtigen Bus und fuhren in Richtung Hostel – naja, fast: Nach etwa drei Haltestellen wurden wir etwas stutzig, bis wir bemerkten, dass wir prompt in die entgegengesetzte Richtung gefahren sind. Aber auch das rüttelte uns noch nicht richtig wach. Nachdem wir dann mit dem richtigen Bus in die richtige Richtung bis zur richtigen Haltestelle gefahren sind, konnten wir unser Hostel nicht finden. Schließlich benötigten wir noch fünf Minuten Durchfragen, sieben Minuten Laufen und drei Minuten Straßenschilder Lesen bis wir an unserem Hostel ankamen, dass lediglich 100 Meter von der Bushaltestelle entfernt lag.

Kurzerhand lieferten wird das Gepäck ab, machten uns frisch und beschlossen nach dem Sightseeing-Marathon des Vortags und der kurzen Nacht einen „Chill-Out-Tag“ einzulegen. Mit einer Stadtkarte, die im Hostel auslag, bewaffnet stand dem nicht mehr im Weg. Wir begonnen den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück in einem Kaffee, schickten anschließend ein paar Grüße nach Hause, flanierten über die Einkaufspromenade, stöberten in Plattenläden und genossen die Sonne bei einem Picknick im Grünen. Am Abend lernten wir während der Happy Hour in der Hostelbar ein paar Engländer kennen, mit denen wir nach ein paar Bier die Nachtclubs der Gegend erkundeten.

Am zweiten Tag in Polen wollten wir dann endlich die Schönheit und Sehenswürdigkeiten der Stadt entdecken, was zu einer Reise durch die deutsch-polnische Geschichte wurde; angefangen in der Altstadt. Die prächtigen Gebäude und Kirchen wurden während des Zweiten Weltkriegs größten Teils von der Wehrmacht zerbombt. Mit zahlreichen Spendengeldern wurden sie nach Ende des Krieges fast vollständig rekonstruiert, so dass sie wieder im alten, bunten Glanz strahlten. Historisch gesehen, blieben wir in derselben Zeit, als wir einen Rest der Warschauer Ghettomauer besichtigten. In einem Hinterhof versteckt, war dieser nicht nur schwer zu finden, sondern wurden dem Mauerrest dort auch wenig Achtung zugesprochen, so dass der Ort nicht die historische Bedeutung ausstrahlte, die er im Grunde besaß. Der nächste Besichtigungspunkt auf unserer Liste dahin gegen, trieb uns die Ehrfurcht in den Körper. Das Denkmal zu Ehren der jüdischen Widerstandskämpfer im Warschauer Ghetto, an welchem Willy Brandt seinen berühmten Kniefall machte, implizierte nicht nur das Schrecken des Zweiten Weltkriegs, sondern gleichzeitig den Wandel der Ostpolitik in den 60er Jahren, die zu der Entspannung zwischen Ost und West beitrug. Mit diesem Erlebnis endete unser Streifzug auf den Spuren der deutsch-polnischen Geschichte in Warschau. Jetzt war es wieder an der Zeit die Rucksäcke aufzuschnallen, um an den Ort zu reisen, wo die Gräueltat der Deutschen begann: auf nach Danzig!

Vierte Station: Gdansk

Spät abends rollte unser Zug am Bahnhof in Danzig ein. In der Dunkelheit hieß es dann schnellst möglichst das Hostel zu finden und ab ins Bettchen zu hüpfen. Nach dem Frühstück pilgerten wir zeitig los, um die deutsch-polnische Geschichte weiter zurück zu verfolgen. Mit dem Stadtplan in der Hand folgten wir den Straßenschildern in Richtung Hafen, von wo aus wir mit einem „alten Piratenschiff“ zur Westerplatte schipperten. Als wird dort angelegt hatten, tauchten wir unsere Füße in den Sandstrand und genossen unseren ersten Blick aufs Meer. Entspannt gaben wir uns dann wieder der Geschichte hin und ließen uns in das Jahr 1939 zurückversetzen. Der Blick gen Horizont, die Bunker, die zerbombten Munitionslager, aber auch das in den Himmel ragende Denkmal erzeugten einen unglaublich starken Eindruck von den geschichtlichen Ereignissen, die dieser Ort über sich hatte ergehen lassen. Man hörte förmlich den ersten Schuss der Wehrmacht am 1. September 1939. Im Bann der Geschichte gefangen, vergaßen wir völlig die Zeit und verpassten unser Schiff, so dass wir den Bus zurück nehmen mussten. Es verblieb uns noch ein bisschen Zeit um ein Eis zu essen und die Altstadt zu besichtigen, die mit den bunten, eng aneinandergereihten Häusern an Warschau erinnerte. Leider war die Zeit zu kurz, um sich ganz dem Charme der Stadt hingeben zu können. Es war Zeit sich von Osteuropa zu verabschieden, denn im Hafen von Gdynia wartete schon die Fähre auf uns, die uns über Nacht nach Schweden bringen sollte.

Zwischenaufenthalt: Erlebnis Fähre

Langsam verschwamm das Glitzern der Lichter von Gdynia am Horizont und wir fuhren dem Rauschen der Ostsee entgegen. Bevor wir den große Meeresdampfer bestiegen hatten, hatten wir die Möglichkeit genutzt zollfrei einzukaufen, um uns für die teuren Preise Nordeuropas zu wappnen. Mit diesen Einkäufen wagten wir uns nun an Deck, wo uns heftige Winde um die Ohren pfiffen. Die Kälte und der beginnende Regen hatten allem Anschein nach die übrigen Fahrgäste davon abgehalten sich ins Freie zu begeben, so dass wir auch bei den überdachten Tischen freie Platzwahl hatten. Mit Chips, Wein und Bier genossen wir die frische Meeresluft trotz des rauen Seegangs. Um die anderen Passagiere nicht zu stören – wir hatten aus Spargründen „Schlafsessel“ in einem großen Saal mit mehreren Mitreisenden gebucht – verweilten wir noch eine Zeit lang im Kinderparadies. Als auch wir dann schließlich müde ins „Bett“ fielen, ließen wir uns vom starken Wellengang sanft in den Schlaf schaukeln. Geplagt von Rückenschmerzen weckten uns am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen auf. Der Anblick des wunderschönen Sonnenaufgangs am Horizont und der frische, salzige Duft des Meeres entschädigten den unbequemen Schlaf und trieben uns die Müdigkeit aus den Augen, so dass wir uns voller Energie auf die weitere Reise in Schweden einstellen konnten. Wenig später legten wir auch schon in Karlskrona an. Nach dem Motto „Fehler darf man machen, aber jeden nur einmal!“ wechselten wir unser Geld und erkundigten uns nach dem richtigen Bus, der uns zum Hauptbahnhof bringen sollte. Von dort aus waren es dann nur noch etwa drei Stunden bis zum nächsten Halt, Lund.

Fünfte Station: Lund

Im Zug von Karlskrona nach Lund mussten wir uns erstmal wieder an die neuen Standards gewöhnen. Noch die alten Tuckerzüge aus Polen und Tschechien gewöhnt, fragten wir uns beim Besteigen des neu glänzenden und mit vielen technischen Spielereien versehenen schwedischen Zugs, ob wir etwa Aufpreis zahlen müssten. Nein, liebe Interrailer, ihr seid lediglich im reichen, aber auch teuren Nordeuropa angekommen.

Nun, ging es also nach Lund, eine Universitätsstadt im Süd-Westen Schwedens, etwa 20 Minuten von Malmö entfernt. Der Cousin eines Freundes, sollte uns dort vom Bahnhof abholen. Die nächsten Tage würden wir bei ihm verbringen und in den Genuss eines sehr häuslichen Aufenthalts kommen. Nach acht Tagen auf den Beinen und nie mehr als zwei Nächten an einem Ort, war es uns nach unserer Ankunft einfach nur noch nach Entspannung und Relaxen. Deshalb verbrachten wir den Nachmittag im Garten unseres Freundes, wo wir unsere müden Füße in die Sonne streckten. Am Abend verwöhnte uns seine Mutter mit einem kulinarischen Gaumenschmaus. Nach den Mahlzeiten der letzten Woche, die sich hauptsächlich aus Fastfood, Süßigkeiten und belegten Broten zusammensetzten, wurde das Abendessen für uns zu einer geschmacklichen Sensation, die wir in vollen Zügen genossen. Gestärkt sollten wir dann das schwedische Nachtleben in Malmö kennen lernen, wurden aber zunächst einmal mit den schwedischen Wucherpreisen bekannt: 10 € für den Eintritt, 5 € ein 0,3 l großes Bier – zusammen in etwa so viel wie wir in Prag für ein Zimmer mit Frühstück bezahlt hatten. Scharfsinnig analysierten wir nach den Preisen das schwedische Publikum. Jungs wie Mädels waren wahnsinnig hübsch, aber auch wahnsinnig wenig individuell, so dass wir schnell ein einfaches Schema heraus filtern konnten: Als ein Junge trägt man in Schweden eine Röhrenhose, dazu ein Hemd, das in die Hose gesteckt wird, einen Ledergürtel und Lederschuhe. Die Haare werden mit reichlich Gel nach hinten gekämmt. Mädels in Schweden tragen ein Kleid oder wahlweise einen Minirock, dazu High-Heels, Ohrringe, Armreife, eine Kette und nicht zu knapp Make-up. Die blonden Haare bleiben offen. Wir in unserem Backpacker-Look fielen da definitiv raus. Aber weder davon, noch von den Preisen ließen wir uns beirren. Die Nacht wurde somit zu einem heiteren Fest, an dem wir ausgelassen tanzten und viele sehr nette und interessante Menschen kennen lernten.

Man hätte in der ersten Woche unserer Reise fast vergessen können, was für erstklassige Langschläfer wir doch waren. Als wir am folgenden Tag jedoch erst um 15 Uhr aus den Federn krochen, hatten wir unser Talent mal wieder unter Beweis gestellt. Tatsächlich waren die Nächte bis dahin meist früh zu Ende gewesen, was uns offensichtlich noch in den Knochen gehangen war. Gänzlich entspannt kosteten wir nach dem Aufstehen das schwelgerisch zubereitete Frühstück aus und schlenderten anschließend gemütlich in die Innenstadt. Dort bekamen wir von unserem Freund eine exklusive Stadtführung, auf der wir viel zu lachen hatten. Nach unserem kurzen Kulturausflug setzte die Mutter unseres Gastgebers die kulinarische Wellnesskur mit weiteren Höhepunkten fort. Zu allem Überdruss ließ sie sich dann auch nicht davon abbringen unsere Wäsche zu waschen. Gleichwohl die Nestwärme unseres Zuhauses hunderte von Kilometern entfernt war, kamen wir hier in den Genuss von „Hotel Mama“, den wir nur unter Protest aber trotzdem gerne willkommen hießen. Der Abend sollte ebenso spektakulär, aber weniger häuslich weiter verlaufen: Der aus Stockholm stammende und in Schweden hoch gefeierte House-DJ Axwell war zu Gast in einem Malmöer Nachtclub. In der Großraumdisco angekommen ließen wir uns von der Begeisterung seiner schwedischen Fans mitreißen und tanzten unter großem Gedränge nur wenige Meter vor der Bühne. Nach einigen Stunden ausgelassenen Feierns trieb uns schließlich die Erschöpfung nach Hause.

Abenteuerausflug: Kopenhagen

Während die Jungs sich am folgenden Tag zum Nichtstun entschlossen, fuhren wir zwei Mädels nach einem weiterem Luxusfrühstück a lá „Hotel Mama“ nach Kopenhagen. Dieser Tagesausflug sollte, wie sich später herausstellte, zu einer Abenteuerreise mit der schwedischen Bahn werden: Verwunderliche Züge nahm unser kurzer Trip schon an der Bushaltestelle vor dem Haus unseres Freundes an, wo uns eine alte Dame auf Schwedisch ansprach. Nachdem die anfänglichen Verständigungshürden überwunden waren, stellte sich heraus, dass uns die in etwa 70-Jährige über die Zeugen Jehowas informieren wollte und dazu Prospekte in allen Sprachen bei sich führte. Von der alten Frau aufgeklärt, steuerten wir dann wenige Minuten später am Bahnhof unmittelbar auf den Schalter zu, wo wir einen Nachtzug zur nächsten Etappe organisieren wollten. Beim Warten verpassten wir den Zug nach Kopenhagen, um kurz darauf festzustellen, dass der von uns erwählte Nachtzug ausgebucht war. Kurzerhand schoben wir dieses Problem dann auf die Jungs ab und hetzten zum Gleis, um den nächsten Zug nach Kopenhagen nicht zu verpassen. Als wir dort völlig abgehetzt ankamen, mussten wir auf der Anzeigetafel lesen, dass der Zug erst mit 20 Minuten Verspätung eintreffen würde. Nachdem wir etwas später erleichtert und voller Spannung auf Kopenhagen endlich im Zug saßen, wurde uns eröffnet, dass wir vorher noch einmal in Malmö umsteigen müssten. Aber damit waren die Strapazen noch nicht vorüber, denn in Malmö erwartete uns schon die nächste Überraschung: Der Zug nach Kopenhagen war „gecancelt“. Letztendlich kamen wir mit fast zwei Stunden Verspätung erst um 16:45 Uhr in Kopenhagen an. Entsprechend kurz war unser Aufenthalt, bei dem die Zeit für kaum mehr reichte als etwas durch die Stadt zu schlendern. Trotz dessen war es eine schöne Erfahrung eine neue Stadt und deren äußerlichen Besonderheiten, wenn auch nur kurz, zu erkunden. Letztlich gleicht keine Stadt einer anderen – es gibt überall neues zu entdecken.

Nach einer Heimfahrt, die ähnlich chaotisch verlief wie die Hinfahrt, verloren wir restlos das Vertrauen in die schwedische Bahn. Dementsprechend ermüdet waren wir, als wir mit einem Dankeschön für unsere Supermama zurückkehrten. Unseren letzten Abend unter dem Dach heimeliger Fürsorge verbrachten wir dann gemeinsam mit der Familie unseres Freundes. Der nächste Tag brachte dann den Abschied von unserem Freund, seiner Familie und dem Gefühl häuslicher Geborgenheit, aber auch eine neue Stadt, ein neues Land und neue Eindrücke. Unsere Interrail-Crew stieß weiter vor in Richtung Norden.

Sechste Station: Oslo

Mit einem norwegischen Luxuszug setzten wir unsere Reise durch Europa fort. Dieser ließ die Strapazen des Vortags nicht nur mit seiner Ausstattung in Vergessenheit geraten: Je weiter nördlich wir kamen, desto beeindruckender war die Aussicht, die sich uns auf die schöne Landschaft erbot: Dunkle Seen umringt von Wäldern und Wiesen in einem satten Grün, moosbedeckte Küsten, den Blick aufs Meer und schließlich Oslo, eingebettet in eine sanfte Fjordlandschaft, aus der viele kleine Inseln hervorragen. Ebenso beeindruckend wie der Anblick der Stadt, war auch ihr Bahnhof, der mehr einem modernen Flughafen glich. Überall Rolltreppen, unzählig viele Geschäfte, eine Halle mit kleinen Ständen. Inzwischen hatten wir ausreichend Reisesachkenntnisse zusammengehäuft, um zu wissen was wir nun zu erledigen hatten. So besorgten wir die Fahrkarten für die nächste Etappe, ein 24-Stunden-Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel und machten uns in der Stadt auf die Suche nach einer Wechselstube, wo es meistens bessere Kurse gab als direkt am Bahnhof. Nachdem wir alle Erledigungen getätigt hatten, fuhren wir mit der Straßenbahn zu unserem Hostel, welches bereits die nächste Überraschung für uns parat hielt. Es waren nicht etwa die überteuerten Preise, mit 27 € pro Nacht plus 4 € für die erforderlichen Bettlaken – das hatten wir in der teuersten Stadt Europas nicht anders erwartet – sondern das lange Regelwerk, das uns schockierte. Striktes Alkohol- und Rauchverbot, Frühstück bis 9:30 Uhr, Check-Out-Time 9:00 Uhr, Schlafsackverbot… – nicht gerade das, was man jugendfreundlich nennen würde. Dafür war die Unterkunft aber sauber und ordentlich. Das erste Mal seitdem wir mit dem Zug durch Europa tuckerten nahmen wir an diesem Abend den Kochlöffel in die Hand. Angesichts der teuren Preise blieb uns mit unserem knapp bemessenen Reisebudget auch kaum etwas anderes übrig. Dabei machten wir die Erfahrung, dass es von Vorteil ist eigene Gewürze und Töpfe mitzuführen, denn nicht immer ist alles ordentlich gespült und viele Gewürzstreuer sind an ihrer Öffnung schon vergilbt. Auf einer Bank vor dem Hostel ließen wir den Abend gemütlich ausklingen. Von dort aus bot sich uns eine super Aussicht auf das in der Nacht funkelnde Oslo.

Am nächsten Tag stand wieder ein ausgiebiges Kulturprogramm auf der Tagesordnung. Angefangen mit der Stadt verlief unsere Erkundungstour vom Karls Johan gate zum Schloss und den Schlossgarten – dort legten wir unter blauem Himmel ein kleines Picknick ein – bis hin zum Hafen. Von dort aus ging es mit der Fähre auf die Halbinsel Bygdøy, wo wir in einem Museum alte Wikingerschiffe und deren Grabkammern und Grabbeigaben bestaunten. Auf dem Rückweg tapsten wir auf die ganz in weiß gehaltene Oper, die mit ihrer Lage direkt am Wasser sehr an das berühmte Opernhaus von Sydney erinnerte. Oben erbot sich uns eine tolle Aussicht über die Stadt.

Bevor wir ins Hostel zurückkehrten, bummelten wir noch ein wenig durch die vielen kleinen Geschäfte, die sogar die Jungs mit ihrer Ware begeisterten. Am Ende der Sightseeing- und Shoppingtour hingen unsere Beine schlapp vom Körper, so dass wir sie am Abend nicht weiter beanspruchen wollten und nicht, wie ursprünglich geplant, ausgingen. Stattdessen erprobten wir zum zweiten Mal unsere Kochkünste und genossen nochmal eine laue Nacht im Garten vor unserem Hostel, gespannt auf den nächsten Tag und die uns bevorstehende Reise im Panoramazug nach Bergen.

 

Erlebnis Panoramazug Oslo – Bergen

Die Zugstrecke zwischen Oslo und Bergen wird in jedem Reiseführer als Highlight, das man sich nicht entgehen lassen darf, betitelt. Dementsprechend gespannt waren wir, als wir am nächsten Morgen in den Wagon einstiegen. Voller Erwartungen und mit den Bildern der letzte Zugreise im Hinterkopf klebten unsere Nasen an der Fensterscheiben, während sich der Zug durch grüne Landschaften schlängelte, die durchaus hübsch anzusehen waren, aber uns nicht aus den Socken hoben.

Etwa zwei Stunden später jedoch wurden wir – tätärätääää!- ins Märchenland katapultiert: Zauberhaft schimmernde Seen, hell glitzernde Gletscher und graziös plätschernde Wasserfälle zwischen moosbedeckten, mystisch wirkenden Gestein vor der Kulisse einer magischen Tundralandschaft mit sich immer höher auftürmenden Bergen – einfach gigantisch, atemberaubend – alles fernab von großen grauen Städten und verstopften Autobahnen. Lediglich ein paar bunte Häuschen blitzend gelegentlich aus dem Grün hervor. Wie ein magischer Schleier, der uns in eine andere Welt versetzte, überkam uns der Zauber dieser einsamen, naturbelassenen Landschaft. So pur in der Urschönheit der Natur wirkte alles auf eine Art unwirklich. Obwohl die vielen Tunnel hin und wieder den herrlichen Anblick störten, war dieses Erlebnis ein unvergesslicher Höhepunkt unserer Reise.

Siebte Station: Bergen

Nach dem betörenden Schauspiel kamen wir bei Dämmerung in Bergen an. Die zweitgrößte Stadt Norwegens liegt eingenistet zwischen den Bergen inmitten des Byfjords an der Westküste. Zu Fuß machten wir uns auf die Suche nach unserem Hostel, das wir nur wenige Straßen vom Bahnhof entfernt fanden. Verglichen mit den bisherigen Hostels machte es den Eindruck ziemlich klein zu sein, dafür aber modern und sehr sauber und ordentlich. Das Zimmer mussten wir uns zum ersten Mal teilen, was uns aber die Gelegenheit gab ein paar nette, junge Chinesen kennen zu lernen, die in ihren Ferien, wie wir, Europa bereisten. Beim Small-Talk erzählten sie uns vom berühmten Fischmarkt Bergens, den sie früh am nächsten Morgen besuchen wollten und jagten uns damit gehörigen Hunger ein. Bevor wir uns dann im Supermarkt einen Tiefkühlfisch leisteten, organisierten wir noch einen Ausflug über die Fjorde für den kommenden Tag. Nachdem wir unseren Fisch vernascht hatten promenierten wir noch etwas in der Innenstadt, um die frische Abendluft zu genießen und einen ersten Eindruck von dem neuen Ort zu erhaschen. Mit diesem gingen wir dann auch früh ins Bett, denn am nächsten Morgen hieß es mal wieder früh aufstehen.

Die Müdigkeit stand uns noch ins Gesicht geschrieben als wir am nächsten Morgen zum Hafen pilgerten. Dort wartete schon das Schnellboot auf uns, mit dem die am Vortag gebuchte „Sognefjord-in-a-Nutshell-Tour“ begann. Während sich das Boot noch langsam auf den Wellen im Hafen wiegte, frühstückten wir gemütlich unter Deck. Allmählich rückte die Stadt immer weiter in die Ferne und vor uns eröffnete sich eine märchenhafte Fjordlandschaft: Dunkles, ruhiges Gewässer inmitten moosgrüner Berge. Hin und wieder brachte ein kleines, buntes Dorf zwischen den Gebirgsketten Farbe in den grautristen Nebeldunst der Morgenfrische. An Deck herrschte eine feuchte Kälte und der Fahrtwind blies uns derart um die Ohren, dass wir ihm uns nur nach vorne gebeugt stellen konnten. Davon ließen wir uns aber nicht abhalten den größten Teil der Fahrt im Freien zu verbringen. Im Gegenteil passte das raue Wetter in das Panorama der dämmrigen, mit Nebelschleier bedeckten Morgenlandschaft, die eine melancholische, aber geheimnisvolle Atmosphäre barg. Trotz des grauen Bilds, das sich uns erbot, war dies ein Winkel der Erde mit unbeschreiblichen Zauber und magischer Schönheit; eine Herrlichkeit der Natur, die unser Gemüt mit Zufriedenheit erfüllt und uns demütig und andächtig hatte werden lassen. Eins mit der Welt genossen wir.

In Flåm, wo wir zu einem zweistündigen Aufenthalt anlegten, nach dem es dann mit der Bahn weiter gehen würde, wurden wir wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Die vielen Touristenläden ließen den Zauber des Fjords schnell verfliegen. Von Elch-T-Shirts und Elchtaschen über Elchtopflappen und Elchfiguren bis hin zur Elchunterwäsche gab es hier fast alles mit dem norwegischen Maskottchen. Wir begnügten uns dennoch mit ein paar Postkarten und warteten dann auf die Flåmsbahn, um möglichst gut Sitzplätze zu ergattern. Wenige Minuten später tuckerten wir auch schon in den Ledersitzen des nostalgischen Eisenbahnwagons die Berge hinauf und befanden uns wieder in der eindrucksvollen Märchenwelt des Vormittags. Wir schlängelten uns an steilen Gebirgswänden entlang; neben uns taten sich tiefe Schluchten auf, in deren Betten sich wilde Flüsse und Bäche wendeten; ab und an stürzte ein schroffer Wasserfall in die Tiefe; um die schneebedeckten Gipfeln über uns schwebte ein weißer Nebeldunst – eine Reise durch eine Fantasiewelt. Nach einiger Zeit unbeschreiblicher Eindrücke machten wir an einem mächtigen Wasserfall Halt. Dies bot uns die Gelegenheit Bilder zu schießen, um die Eindrücke dieser faszinierenden Landschaft festhalten zu können. Die zauberhafte Atmosphäre dieser beeindruckenden Natur verflog etwas, als sich zwischen dem runter stürzenden Gewässer plötzlich eine als Fee verkleidete Tänzerin auf Flötenmusik räkelte. Als die Showeinlage zu Ende war, führte uns die Flåmsbahn weiter die Felshänge hinauf bis wir auf der Hochebene in Myrdal ankamen. Von dort aus ging die Fahrt wieder zurück zu unserem Domizil Bergen. Der lange Ausflug und das frühe Aufstehen hatten uns ziemlich erschlaffen lassen, so dass wir eine kurze Erholungszeit, eine entspannende Dusche und ein leckeres Abendessen einlegten, bevor wir uns beim Tanzen in den Nachtclubs dem Rhythmus der Nacht hingaben.

Als die Sonne am nächsten Morgen aufging und wir schon früh das Hostel verlassen mussten, beschlossen wir unseren letzten gemeinsamen Tag mit einem Frühstück an einem Kunstsee in der Stadtmitte zu beginnen. Ehe wir unsere Schlemmereien in der kühlen Morgenluft zwischen den unzähligen Tauben genießen konnten, mussten wir einen Umweg über den Bahnhof machen, um unser Gepäck in Schließfächern einzulagern. Unbeschwert bummelten zum klaren Gewässer und beobachteten beim frühstücken das Treiben rund um den See. Danach schlenderten wir zum Hanseviertel Bryggen, das zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. Glied an Glied stehen hier die bunten, meist etwas schiefen Holzhäuschen nebeneinander. Auch die engen Gassen dazwischen sind oft mir Holz ausgelegt und ähneln einander stark, so dass ein Sparziergang darin ungewollt zum Irrgang werden kann. Trotz dessen machte es Spaß sich in den Gassen zu verlieren und sich von den alten Häuschen Jahrhunderte zurück versetzen zu lassen.

Nach dieser kurzen Zeitreise in die Vergangenheit ging es für uns mal wieder hoch hinauf. Mit der Fløibahn kletterten wir auf 320 Meter zu einer Aussichtsplattform, die uns ein wunderschönes Panorama über Bergen und die Fjordlandschaft bot. Auf einer kleinen Bank im Grünen bewunderten wir die traumhafte Aussicht und verweilten ein Weilchen in der wärmenden Sonne. Dabei stießen wir auf ein paar junge Studenten aus Bergen, was sich zu einer multikulturellen Begegnung entwickelte: Engländer, Jugoslawen, Rumänen, Norweger und wir Deutsche. Es war immer wieder erstaunlich mit was für eine Offenheit uns fremde Menschen auf unserer Reise begegneten. Unser Kennenlernen war leider nur von kurzer Dauer, denn unsere Bekanntschaft musste zur Uni und zu Hausbesichtigungsterminen. Auch wir beendeten kurz darauf unseren Gipfelaufenthalt und machten uns auf in Richtung Tal, diesmal jedoch zu Fuß. Unsere Jungs ließen sich beim Abstieg nicht davon abringen „Abkürzungen“ zu nehmen, wodurch der geplante Spaziergang in einem kleinen Bergsteigertrip endete. Unter den grünen Blätter des dich bewaldeten Hangs, zwischen denen die Sonne grell funkelte, marschierten und rutschten wir also auf dem bemoosten Boden den Weg nach unten. Dabei kreuzte immer wieder mal ein kleines Bächlein oder ein großer Felsbrocken unseren Weg, was unseren Ausflug zu einem lustigen Abenteuer machte. Heil am Fuße des Fløi angekommen, schlugen wir die Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges mit kleinen Einkäufen in der Innenstadt tot. Mit der Dunkelheit kam dann schließlich auch unser Zug in Bergen an. Bald würde es für uns Mädels heißen Abschied nehmen. Von den Jungs, die nach Kopenhagen weiterreisten und von einem wundervollen Reiseerlebnis.

Die letzte Station: Göteborg

In Göteborg ließen wir die Jungs von der Hand und gaben sie ihrem Schicksal hin. Wir hatten eine lange und unruhige Nacht in den Sesseln der norwegischen Eisenbahn hinter uns, die die Gratis-Decken und -Schlafmasken kaum erleichtert hatten. Entsprechend erschöpft sehnten wir uns nach einem richtigen Bett mit flauschiger Decke und ohne das Holpern und Rauschen der Gleise. Mit der Erfüllung unseres Wunsches mussten wir notgedrungen warten. Das Zimmer unseres Hostels konnten wir, wie üblich, erst am späten Nachmittag beziehen. Deshalb verfrachteten wir die Rucksäcke wieder einmal in Schließfächer und begaben uns auf eine Erkundungstour Göteburgs, die sich schleichend als Shoppingtour entpuppte. Wenn die Jungs erstmal weg sind… Mit mehreren Kilometern auf den Füßen und noch mehr Tüten in den Händen freuten wir uns nun umso mehr auf unsere Betten. Als wir in unserem Fünfbettzimmer einen Spanier und zwei sächsische Motorradfahrer vor fanden, löste sich unser Traum vom Nickerchen zwar in Luft auf, die amüsante Gesellschaft hielt uns jedoch wach. Beflügelt tauschten wir unsere Reiseerlebnisse aus, erzählten voneinander und lernten dabei ausgefallene spanische und sächsische Wörter. Mit den zwei Bikern im Gepäck durchstöberten wir später noch ein paar Kneipen, fielen aber bald entkräftet in unsere Betten.

Am nächsten Morgen war er da, der Tag der Heimreise. In den letzten 17 Tagen hatten wir unzählige neue Eindrücke gewonnen, faszinierende Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten kennen gelernt und uns in den Bann atemberaubender Landschaften, geschichtsträchtiger Gebäude und einzigartiger Geschichten ziehen lassen. Es war ein wundervoller Rausch an Erlebnissen, der an diesem Tag zu Ende gehen sollte. Bevor uns jedoch der Flieger am Nachmittag über den Wolken heim tragen würde, war es uns gegönnt noch ein letztes Mal eine kulturelle Entdeckungsreise anzutreten: Im Världskulturmuseet Göteborg. Dort erwartete uns eine Faszination drei verschiedener Ausstellungen: Zu Beginn ging es in die Bronx, wo die Hip-Hop-Kultur ihre Anfänge hatte. In Bildern, Filmen und Musik ergründeten wir die Ursprünge dieser Jugendbewegung. Wir bestaunten die Kunst des Hip-Hops, die Graffiti, an den Wänden der Museumshalle; ließen uns von der Schnelligkeit und Raffinesse ihres Tanzes, dem Breakdance, beeindrucken; erfuhren mehr über den Ursprung ihres Kleidungsstils, den Baggypants & Co und hörten zu den ersten Beats und Raps ihrer Musik. Die zweite Ausstellung verfrachtete uns in die dichten, grünen Wälder des Dschungels. Unter der Kulisse von dicken Baumstämmen, Hängematten und dem Zirpen und Zischen der Urwaldsgeräusche bestaunten wir Exponate südamerikanischer Stammesbewohner: Von den bunten Vasen, den aus Naturmaterialien hergestellten Stammesschmuck, den pompösen Masken, den ausgeklügelten Waffen und Werkzeugen ließen wir uns die faszinierende Geschichte der Ureinwohner Südamerikas erzählen. Die letzten Ausstellungsräume standen unter dem Motto „Take Action“. Hier weilten die Rebellen und Revolutionäre, aber auch Unternehmen und Künstler. Iranische Undergroundrapper und britische Straßenkünstler zeigten uns gemeinsam mit Gandhi und der Clownsarmee Wege die Welt zu verändern.

In den vergangenen zweieinhalb Wochen hatten die Wege, die wir gegangen waren, uns verändert und in uns ein neues Bewusstsein über unsere Erde wachsen lassen. Und nun mündete diese Reise mündete in den Gedanken die Welt zu verändern, sie zu einer besseren zu machen, so wie sie uns ein bisschen besser und bewusster hat werden lassen.

Im strahlenden Blau des Himmels und der Leichtigkeit des Fliegens blickten wir wenig später nochmal hinunter auf die Erde, dachten an die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse, die wir gewonnenen hatten und dankten stumm für die ewige Erinnerung, die uns blieb.

Liste unserer Hostels und die von uns vergebene Bewertungen

Prag http://www.clownandbard.com/
Warschau http://www.okidoki.pl/index.htm
Danzig http://www.baltichostel.com.pl/
Oslo http://www.haraldsheim.no/index.php?lang=EN
Bergen http://www.dorm.no/
Göteborg http://www.hostel-gothenburg.com/

Das Ticket: http://www.bahn.de/p/view/angebot/paesse/interrail/preise.shtml
Reisetipps: http://www.interrailers.net/
http://www.interrail.net/

Artikel: Julia Spiesberger

 

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