Der Trend zu mehr Ganztagsschulen in Deutschland nimmt immer stärker zu. Der Staat fördert dieses Programm in Millionenhöhe. Doch inwieweit ist es sinnvoll? Ein distanzierter Bericht.
Das Ziel von Ganztagsschulen besteht darin, die Schüler während eines großen Teils des Tages zu betreuen. Der Unterricht endet meist zwischen 16 und 17 Uhr. Danach wird in der Regel eine Spätbetreuung bereitgestellt. Vor allem in Frankreich und Skandinavien hat diese Art von Schule ein hohes Vorkommen. Doch das Konzept wird nicht von jedem befürwortet. Welche Vorteile werden geben und was für Nachteile erschließen sich?
Mit diesem Bericht möchte ich unparteiisch auflisten, wie das Leben in der Realität wirklich aussieht.
Als Einstieg dient diese Grafik, die umfassend den Anteil von Schüler und Schülerinnen an allgemein bildenden Schulen mit Ganztagsangebot darstellt. Erstellt wurde diese im Schuljahr 2002/2003.
Eine der Hauptgründe, weshalb Eltern ihre Kinder auf eine Ganztagsschule schicken, mag wohl sein, dass sie so ihrer beruflichen Aktivität nachkommen können. Die Entlastung ist vor allem für Alleinerziehende wichtig, der Elternteil kann sich besser zwischen Familie und Beruf arrangieren. Auch die Gleichstellung von Mann und Frau wird geboten. Allerdings wird dadurch gleichzeitig die emotionale Bindung zu den Eltern bzw. zu der Familie geschwächt. Die Schüler werden zusätzlich verstärkt von dem schlechten Charakterbild einzelner verhaltensauffälligen Schüler geprägt. Dadurch, dass die Klasse einen längeren Zeitraum am Tag miteinander verbringt, wird der soziale Kontakt zu den Klassenkameraden verstärkt und die Kooperation zwischen Lehrer und Schüler erfolgt am Nachmittag wesentlich lockerer, da Möglichkeiten für offene Lernformen gegeben werden. Die Freizeit, die für die individuelle Entwicklung eines Kindes von enormer Bedeutung ist, wird einerseits durch die in den Nachmittagsstunden vermehrt vorkommenden künstlerischen und sportlichen Fächern gestärkt, andererseits geht dadurch Zeit für persönliche Nebenaktivitäten verloren und somit verschiebt sich vieles in den Abend hinein.
Wie auch die Hausaufgaben und das Lernen müssen zusätzlich noch nach dem Unterricht erfolgen, obwohl auch eine Hausaufgabenbetreuung angeboten wird. Doch als Vorbereitung auf Klausuren etc. reicht das mit Abstand nicht aus. Dadurch, dass die Freizeitgestaltung die Schule und nicht der Schüler bestimmt, nimmt die Gefährdung, dass die Jugendlichen in die Kriminalszene geraten, ab. Eine sinnvolle Freizeitgestaltung wird geboten und auch der Stundenplan kann besser an den einzelnen Schüler angepasst werden, sodass Hohlstunden etc. weniger Vorkommen genießen. Schüler/innen kommen automatisch stärker in Kontakt mit Kameraden unterschiedlicher Herkunft oder anderem sozialem Hintergrund. Das gegenseitige Verstehen wird automatisch verbessert. Die Schüler können individueller gefördert werden, was einen Fortschritt der Bildung darstellt. Wobei wir auch schon bei dem Thema wären: die PISA-Studie. Befürworter von Ganztagsschulen argumentieren mit einem besseren Abschneiden von Ländern mit traditionellen Ganztagsschulen im Gegensatz zu denen, wo diese Schulart nicht in zahlreicher Form vorkommt. Kleinere Klassenverbünde und eine spezielle Förderung von Problemfällen sind bei einer Ganztagsbetreuung möglich. Doch im Gegensatz dazu haben die Unterschiede der einzelnen Länder viele differenzierte Gründe. Das schlechtere Abschneiden von Deutschland bei der PISA-Studie ist nicht zwingend von dem Angebot von Ganztagsschulen abhängig. Die Schüler verlieren an Eigenständigkeit, wenn die Schule ihre ganze Freizeitgestaltung in Beschlag nimmt. Dadurch wird automatisch die physische und psychische Leistungsfähigkeit geschwächt, da sie nun ganztägig volle Konzentration vorweisen und dem Druck standhalten müssen. Es gibt Schulen, bei denen die Ganztagsbetreuung zusätzlich Kosten verursacht, wobei hier wiederum ein Bildungsunterschied entstehen kann. Auch ist das Thema „Mobbing“ in dieser Schulart nicht ausgeschlossen, die Opfer sind den Tätern nun länger am Tag ausgesetzt. Ob man sich nun für solch eine Schulart entscheidet, hängt wohl allein von dem individuellen Schwerpunkt des eigenen Bildungsverständnisses ab. Meiner Meinung nach sind sowohl die Bildungschancen von sozial schwächeren als auch von sozial stärkeren Familien gleichzustellen und eine selbstständige Persönlichkeitsentwicklung muss, gerade in diesem Alter gesichert sein.
(Vgl. http://ganztagsschulen.wordpress.com/ [Stand: 21.12.2009])
Artikel: Miriam Krug
Materialien für Lehrer und Schüler
- Alle Abi-Materialien auf einen Blick: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/abi-vorbereitung/ und Power-Paket für Abi-Kämpfer: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/gesamt-strategie-fuer-abi-kaempfer/
- „Die Stillen in der Schule“ – Ermutigung + Strategien bei Introversion – zum Lesen, Ausdrucken und Anhören: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/
- „Jugend im Selbstspiegel“ – eigene Texte mit Zeichnungen, präsentiert in einer öffentlichen Lesung: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/der-mensch-mit-dem-schizophren-denkenden-herzen-und-der-verwirrten-seele/
- „Handy, Schule und unser Gehirn“, neurologisch-psychologische Forschungsergebnisse in Blick auf Handys und soziale Medien: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/
- „Handyverbot an Schulen – und wir haben ein Problem weniger!“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/handyverbot-an-schulen/
- „Die Macht der Disziplin“ – diszipliniert → erfolgreicher, stressfreier und glücklicher: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/disziplin-erfolgsfaktor-in-der-schule-einfuehrung/
- „Schülerzeitungsermutigung“ (22 Artikel) – Rückblick, Tipps und Strategien für Schüler-Freiraum: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/redaktionsgroesse-zwei-pizza-regel/
- „Faule Säcke, werdet Lehrer!“ – billiger Populismus gegen den Lehrerberuf durchs Kultusministerium: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/faule-saecke-aller-laender-werdet-lehrer-in-baden-wuerttemberg/