Jenny Erpenbeck: „Heimsuchung“ – Inhalt in Briefform

Liebe Schülerinnen und Schüler,

Erpenbecks „Heimsuchung“ – 2007 – werdet ihr wohl als Heimsuchung eures Deutschunterrichts ansehen – und ich kann es verstehen. Als ich bewusst unvorbereitet den Roman las, dachte ich nur: „Was soll denn das?“ Also, packen wir es gemeinsam an! Mein Tipp, arbeitet mit all den Materialien und Sendungen, die ich euch zur Verfügung stelle! Ich informierte mich aus allen Werken der Sekundärliteratur, die für mich greifbar waren, sonst hätte ich keine Chance gehabt.

Das Ganze spielt am Scharmützelsee bei Berlin. Dieser liegt südöstlich der Hauptstadt, rund einhundert Kilometer weg und man braucht neunzig Minuten mit dem Auto. Das topografische Roman-Zentrum ist ein Haus am Scharmützelsee und über das ganze Anwesen gehen ungefähr einhundert Jahre hinweg, einhundert Jahre deutsche Geschichte von der Weimarer Republik, dem III. Reich und II. Weltkrieg, der DDR-Zeit bis zur Wiedervereinigung und ihren Folgen. Alle Bewohner des Hauses suchen ihr persönliches Glück, ihre Geborgenheit und Sicherheit und über sie alle zieht die Geschichte gnadenlos hinweg und macht sie zu Flüchtlingen, zu Vertriebenen, zu Opfern. Eingerahmt wird der Roman von einem Prolog, der die Formung des Sees vor 25.000 Jahre geologisch genau beschreibt und damit das Leben der wenigen Generationen im Haus relativiert, und einem Epilog, der nüchtern präzise den Abriss des Hauses schildert. Wichtig ist, dass Jenny Erpenbeck viele Sommer im Haus ihrer Großeltern am Scharmützelsee verbrachte, sie nimmt bewusst und voll Trauer Abschied von dem Haus und damit von ihrer Kindheit. Von daher ist es auch ein autobiografischer Roman.

Nun kurz zum Inhalt: Ein Großbauer, dessen Generation ohne einen männlichen Erben endet, teilt sein Waldstück am Scharmützelsee in drei Parzellen und verkauft sie. Interessant sind nur zwei Käufer: ein Architekt aus Berlin und ein jüdischer Tuchhändler aus Guben. Der Architekt verwirklicht sich 1936 mit einem Haus auf dem Grundstück, dort lebt er an den Wochenenden mit seiner zweiten Frau. Politisch geht er mit dem Nationalsozialismus konform. Der Sohn des jüdischen Tuchhändlers wandert mit Familie nach Kapstadt aus, da er die Gefahr für Juden realistisch einschätzt – im Gegensatz zu seinen Eltern und seiner Schwester mit Familie. Als diese sich endlich zur Flucht entscheiden, ist es zu spät. Der Tuchhändler verkauft seine Parzelle unter Wert an den Architekten, um Geld für die Ausreise zu haben. Dieses landet auf einem Sperrkonto und beide Familien werden als Juden ermordet. Anrührend wird der Tod der zwölfjährigen Doris – Tochter der Schwester von dem nach Kapstadt Emigrierten – aus ihrer Perspektive geschildert. Das Schicksal dieser jüdischen Familien bilden das Zentrum des Romans.

Die Rote Armee rückt 1945 auf Berlin zu und Rotarmisten hausen in dem Wochenendhaus am Scharmützelsee. In einem Zimmerschrank hat sich die Frau des Architekten versteckt, wird von dem blutjungen Major entdeckt und es kommt zu einem gewaltsamen sexuellen Akt, bei dem Opfer und Täter nicht zu unterscheiden sind. Für die schon ältere Frau und den komplett unerfahrenen Russen wird diese Nacht zu einem Schlüsselerlebnis, das beide verändert. Der Architekt kehrt zurück und erweist sich als wendig in Blick auf die DDR-Verhältnisse. Wegen einer Lappalie muss er 1951 in den Westen fliehen. In das leerstehende Haus ziehen eine jüdische Schriftstellerin und ihr Mann ein. Beide sind vor dem III. Reich in die Sowjetunion geflüchtet und werden jetzt mit dem Wohnrecht am See für ihre Gesinnung belohnt. Die Tochter des Sohnes der beiden ist Jenny Erpenbeck, die bei ihren Großeltern am See viele glückliche Sommer verbrachte. Nach der Wiedervereinigung erheben die Erben des Architekten Ansprüche auf Haus und Grundstück und können diese auch juristisch durchsetzen. Die Enkelin der Schriftstellerin muss das Haus räumen, es wird verkauft und abgerissen.

Der Gärtner all der Generationen stellt das Kontinuum dar – unabhängig von der jeweiligen Geschichte. Er ist eins mit der Natur und sein Verschwinden am Ende lässt das gesamte Anwesen verkommen, die Bewohner auch moralisch.

Wir packen gemeinsam diesen anspruchsvollen Roman, vertraut mir, aber ihr müsst auch euren Teil zum Durchdringen der komplexen Sprache leisten!

Klaus Schenck

Vier Antworten auf Heimat – aus Deutschland und der Schweiz (Graubünden):

Inhalt in Briefform (~ 1 Textseite): https://www.schuelerzeitung-tbb.de/jenny-erpenbeck-heimsuchung-inhalt-in-briefform/

Interpretation in Briefform (~ 1 Textseite): https://www.schuelerzeitung-tbb.de/jenny-erpenbeck-heimsuchung-interpretation-in-briefform/

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Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
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„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
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Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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