Planspiel „Börse“, so nennt sich ein von den Sparkassen organisiertes Börsenpiel, an dem Schüler, Studenten und auch Lehrer aus ganz Europa teilnehmen können. Da das Planspiel „Börse“ ein Gruppenspiel ist, müssen Teams aus mindesten zwei und maximal acht Teilnehmern gebildet werden. Jedem Team stehen am Anfang des Börsenspiels fiktive 50.000,00 € zur Verfügung, die in rund 180 Aktien, Wertpapieren oder auch Fonds‘ virtuell auf der Homepage angelegt werden müssen, das Planspiel spielt sich somit vollständig im Internet ab. Ziel ist es in drei Monaten so viel Geld wie möglich an der Börse zu verdienen. Spekuliert werden darf jedes Jahr zwischen dem 25. September und 3. Dezember.
Informationsstunde mehr als nur „Hauptsache kein Unterricht“
Gleich zu Beginn des Schuljahres besuchten zwei Auszubildende der Sparkasse Tauberfranken unsere Klasse, die 11/2. Wir wurden nun eingeweiht in die Welt der Kursmakler, Broker und Spekulanten. Man setzte uns in Kenntnis über die Funktionsweise des Börsenspiels und erklärte uns die Spielregeln, an die man sich halten muss, damit man nicht disqualifiziert wird. Hier die drei wichtigsten Regeln im Überblick:
– in ein Wertpapier dürfen höchstens 20.000 Euro investiert werden – jedes Depot mit mehr als 500 erteilten Aufträgen wird vom Spiel ausgeschlossen – bis zum vorletzten Tag müssen mindestens drei umsatzrelevante Wertpapieraufträge durchgeführt worden sein
Quelle: http://www.planspiel-boerse.com/toplevel/deutsch/spielregeln/index.htm (Stand 06.11.10)
Als die Auszubildenden anfingen über die Gewinne zu reden, erwachten schließlich auch die Lletzten aus ihrer geistigen Abwesenheit. Zu gewinnen gibt es unter anderem Geldpreise im Wert von bis zu 500 € (für Studenten sogar bis zu 1500€) und eine Berlinreise für sechs Teams. Die zwei fein gekleideten Auszubildenden berichteten zudem, dass im vergangenen Jahr ein Team aus Tauberbischofsheim am letzten Tag von Rang 3 auf Rang 4 abgerutscht war und somit haarscharf einen Gewinn verfehlt hat. Die Gewinnchancen scheinen offensichtlich sehr hoch zu sein! Die meisten überlegten deshalb nicht lange, bildeten Teams und meldeten sich bei den Sparkassenauszubildenden für das Onlinespiel an. Nach langem Überlegen und Diskutieren beschlossen auch wir, die Wenkheimer, an dem Planspiel teilzunehmen und meldeten uns an. Das Anmelden war keine große Sache, man musste seinen Namen und seine Adresse angeben. Zudem musste ein Gruppenleiter bestimmt und ein Name für die Gruppe gefunden werden. Bei Letzteren sind der Phantasie der Gruppe von der Sparkasse aus keine Grenzen gesetzt.
Erste Erfahrungen an der Börse
Nach dem Anmelden bekamen wir einen Zettel mit den benötigten Zugangsdaten und schon konnte es losgehen. In unserer Gruppe hatte zwar keiner wirklich Ahnung von der Börse, doch uns war klar, dass wir so schnell wie möglich unsere 50.000 Euro in irgendwelche Aktien anlegen müssen, um eine Chance auf einen der begehrten Gewinne zu haben, da Geld, welches nicht angelegt ist, sich ja bekanntlich nicht von selbst maximiert. Gesagt, getan, im Handumdrehen hatten wir Aktien von der Deutschen Post im Wert von 20.000 Euro gekauft. Warum wir uns für diese Aktien entschieden haben? Vermutlich, weil uns das Unternehmen bekannt war und wir auf einen Boom wegen des Internet-Shoppings vor Weihnachten hofften. Das restliche Geldkapital teilten wir unter uns dreien auf, sodass jeder Aktien seiner Wahl im Wert von 10.000 Euro kaufen konnte.
Spiel mit Suchtfaktor
Obwohl das Spiel mit seinen wenigen Anlagemöglichkeiten und seiner lieblos gestalteten Homepage recht unrealistisch und langweilig wirkt, machte uns das Börsenspiel nahezu süchtig. Zum ersten Mal im Leben wurde von den Börsenwerten in der Zeitung Gebrauch gemacht, der Verlauf von Aktienkursen im Internet studiert und unbekannte Aktiengesellschaften gegoogelt. Jeder von uns versuchte sich so viel Wissen wie nur möglich anzueignen, um aus den 10.000 Euro einen hohen Gewinn erzielen zu können – es entstand ein regelrechter Konkurrenzkampf innerhalb unserer Gruppe. Verkaufen, Kaufen, Verkaufen, kein Tag verging ohne einen Auftrag. Jeder wollte dem anderen zeigen, dass er der bessere Börsianer ist. In der Tat hatten die Sparkassenmitarbeiter nicht zu viel versprochen, das Spiel bringt einem wirklich spielerisch den (von der Sparkasse gewünschten) Umgang mit Aktien bei.
Nur der Risikofreudige hat Chancen auf einen Gewinn
Die Frage, die mit Sicherheit jeden Teilnehmer des Onlinespiel brennend interessiert, ist definitiv die, wie man sein Geld anlegen muss, um einen Gewinn zu ergattern. Diese Frage wird aber wohl nicht einmal Warren Buffet, der Börsenspezialist aus den USA, beantworten können, weil der Handel mit Aktien einfach zu unberechenbar ist. Dennoch gibt es auf jeden Fall einige Dinge, die man beachten sollte, wenn man beim Planspiel Börse in den Ranglisten kräftig mitmischen möchte: Auf der Homepage des Börsenspiels erfährt man, wie „wichtig“ den Sparkassen Nachhaltigkeit ist und wie sehr man aus der Finanzkrise „gelernt“ hat. So kann man zum Beispiel im World Wide Web wörtlich nachlesen, „dass es besser ist, auf die Langfristigkeit einer Geldanlage zu achten, anstatt auf schnelle Gewinnmaximierung“(Deutscher Sparkassen Verlag GmbH (2010): Planspiel Börse „Jahresthema“. URL: http://www.planspiel-boerse.com/…/index.htm [Stand 01.11.2010].). Klingt vernünftig. Doch Moment mal, die Dauer des Planspiels beträgt lediglich 3 Monate und Ziel ist es sowohl mit nicht nachhaltigen Geldanlageformen als auch mit Aktien und Wertpapieren, die über ein Nachhaltigkeitszertifikat verfügen, so viel Geld wie nur möglich zu erwirtschaften. Um es einfach zu sagen, geht es beim Planspiel „Börse“ darum, dass es besser ist auf die Möglichkeit zur schnellen Gewinnmaximierung zu achten anstatt auf die Langfristigkeit einer Geldanlage. Gewinnen kann also nur der, der die riskantesten Aktien kauft und dessen Philosophie es ist „schnell zu kaufen und noch schneller zu verkaufen“. Es ist daher sinnvoll sich im Internet Risiko- und Fundamentalanalysen anzuschauen und schon bei geringen Kursschwankungen mit dem Verkauf bzw. Kauf von Aktien zu reagieren. Da die Tatsache, dass man an der Börse im Normalfall auf Jahre und nicht in drei Monaten nachhaltig Geld verdient, bei dem Planspiel Börse keine Rolle spielt, ist es sinnvoll Aktien zu kaufen, die in den letzten Wochen und Monaten starken Kursschwankungen unterworfen waren. Ebenso sollte der Zeitpunkt des Kaufes mit Bedacht gewählt werden, am besten dann, wenn der Kurs der Aktie schon längere Zeit am Fallen ist.
Sehr wichtig, vielleicht sogar am wichtigsten, ist es, sich täglich über die Geschehnisse in der Welt zu informieren. Ein gutes Beispiel liefert dafür die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, die zur Folge hatte, dass die Aktien von BP massiv einbrachen und das Unternehmen tief in die roten Zahlen rutschte. Mittlerweile schreibt BP wieder schwarze Zahlen. Zum Zeitpunkt der Ölkatastrophe Aktien zu kaufen wäre also durchaus rentabel (aber auch risikoreich) gewesen.
Hintergedanke der Sparkasse
Wie bei jedem anderen profitorientierten Unternehmen auch darf jedoch keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass es sicherlich nicht im Hauptinteresse der Sparkasse liegt Schüler, Studenten und Lehrer gratis zu belustigen. Man fragt sich, wie die Sparkassen durch ein solches Planspiel profitieren. Die Strategie, die die Sparkassen beim Planspiel „Börse“ verfolgen, ist beileibe nicht kontrovers, sondern unkompliziert und simpel: Beim Planspiel Börse handelt es sich um ein Spiel, das süchtig machen kann und Schüler und Studenten dazu verleitet echte Aktien zu kaufen. Auf dem Bewertungsportal „ciao.de“ findet man Berichte zum Planspiel Börse: Ein Schüler schreibt „(…)ich werde mir sicherlich Aktien kaufen.“ (Benjamin: „SINNVOLLES UND INTERESSANTES SPIEL“.
URL: http://www.ciao.de/planspiel_boerse_de__Test_2521878 [Stand 02.11.2010].)
Das Börsenspiel zeigt zwar, dass man an der Börse auch Verluste hinnehmen muss, dennoch wirkt der Erfolg anderer (nicht umsonst spielen Millionen Menschen Lotto) und das Auf und Ab der Aktienkurse motivierend. Der Traum vom schnellen Geld ohne Arbeit kommt prompt auf. Es verwundert nicht, dass die Sparkassen-Finanzgruppe zu den größten Brokern (Wertpapierhändlern an der Börse) in Deutschland gehört. Die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmer des Planspiel „Börse“ mit einer Aktie positive Erfahrungen machen und diese dann auch real bei der Sparkasse vor Ort erwerben wollen, ist groß. Nicht bedacht wird dann aber zumeist von den Börsen-Neulingen, dass
• beim Aktienkauf eine Provision an den Broker gezahlt werden muss
• Kontoführungsgebühren verlangt werden
• Transaktionen, also der Handel mit Aktien, gebührenpflichtig sind
• Steuern anfallen
Die Sparkassenmitarbeiter haben, ist der Börsen-Neuling, der vom schnellen Geld träumt, erst einmal in der Filiale, leichtes Spiel und schaffen es gekonnt den Kunden vom Produkt zu überzeugen. Es ist dann meist nur noch eine Frage der Zeit, bis es zum bösen Erwachen kommt und der Kunde bemerkt, dass selbst bei Höchstwerten des jeweiligen Aktienkurses der Gewinn aufgrund der zahlreichen Abgaben überschaubar bleibt. Die Sparkassen freut’s, denn die Tätigkeit als Broker ist ein sicheres und lukratives Geschäft.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich nichtsdestotrotz sagen, dass das Börsenspiel der Sparkassen-Finanzgruppe eine Bereicherung für jeden sein kann, der sich für den Wertpapierhandel interessiert und eine Chance auf einen Gewinn haben möchte. Für denjenigen, der jedoch keinen Wert auf Gewinnchancen legt, sei gesagt, dass es im Internet weitaus bessere Adressen, wie zum Beispiel my.onvista.de oder boersenspiel.de gibt, um Erfahrungen mit dem Aktienhandel zu sammeln.
Artikel: Christoph Baumann
Materialien für Lehrer und Schüler
- Alle Abi-Materialien auf einen Blick: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/abi-vorbereitung/ und Power-Paket für Abi-Kämpfer: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/gesamt-strategie-fuer-abi-kaempfer/
- „Die Stillen in der Schule“ – Ermutigung + Strategien bei Introversion – zum Lesen, Ausdrucken und Anhören: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/
- „Jugend im Selbstspiegel“ – eigene Texte mit Zeichnungen, präsentiert in einer öffentlichen Lesung: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/der-mensch-mit-dem-schizophren-denkenden-herzen-und-der-verwirrten-seele/
- „Handy, Schule und unser Gehirn“, neurologisch-psychologische Forschungsergebnisse in Blick auf Handys und soziale Medien: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/
- „Handyverbot an Schulen – und wir haben ein Problem weniger!“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/handyverbot-an-schulen/
- „Die Macht der Disziplin“ – diszipliniert → erfolgreicher, stressfreier und glücklicher: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/disziplin-erfolgsfaktor-in-der-schule-einfuehrung/
- „Schülerzeitungsermutigung“ (22 Artikel) – Rückblick, Tipps und Strategien für Schüler-Freiraum: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/redaktionsgroesse-zwei-pizza-regel/
- „Faule Säcke, werdet Lehrer!“ – billiger Populismus gegen den Lehrerberuf durchs Kultusministerium: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/faule-saecke-aller-laender-werdet-lehrer-in-baden-wuerttemberg/