Posttraumatische Belastungsstörung – hautnah

Eigentlich waren wir nicht auf diese eindrückliche Psycholo­gie-Doppelstunde vorbe­reitet. Für unseren Psychologiekurs am Technischen Gymnasium (TG) Tauberbischofsheim hatte unser Lehrer Klaus Schenck einen Vortrag von Frank Schwartz über „Posttraumati­sche Belastungsstö­rung“ („PTBS“) organisiert, mehr wussten wir nicht. Der Vortrag passte zur Präsentation unse­res Mitschülers Heiko zu „Trauma bei der Bundeswehr“. Wir vom TG sind das Filmteam der „FT-Abi-Plattform“ und kreier­ten die Reihe „Themen vor der Kamera“. Nun filmten wir nicht mehr unsere Referate, sondern zum ersten Mal einen Gast, entsprechend engagiert liefen die Vorbereitun­gen.

Nach Ton-Check und Begrü­ßung das Thema: „PTBS – der Lei­densweg unseres Sohnes“. Wir waren überrascht. Mit Frank Schwartz sprach in erster Linie ein betroffener Vater zu uns, selbst ehemaliger Oberst­leutnant und Fallmanager der Vete­ranen­hilfe, – er betreut auch durch PTBS betroffene Soldaten. Hier ging es nicht um den neuesten Forschungsstand von Gehirn, Amygdala, Trigger u nd Backflash, hier ging es um einen Men­schen, um kon­krete Erlebnisse, um datierbare Ereignisse, um Verschweigen und Offenbaren, Ver­zweif­lung und Trig­ger, die diesen jungen Solda­ten in Afghanis­tan noch Jahre da­nach – selbst in der heimatlichfamiliä­ren Umgebung – schlagartig wieder in die erlebten Schrecken kata­pultierten, ohne Vorwarnung, aber mit ungeheurer Wucht. Schwartz hat dies in eine Powerpoint-Präsentation umge­setzt, was sein Sohn in dem Dokument „Für die Dun­kelziffer unter uns“ auf 36 Seiten nie­derschrieb, präzise Daten und voller Emotionen. Und genau diese Mischung von Präzision und Emotionen ließ uns das Berichtete fast schon „erleben“, auf jeden Fall uns tief ein­fühlen, mitfühlen mit diesem uns unbe­kannten Philipp.

14.11.2005: Selbstmordan­schlag auf einen „Wolf“ der deutschen Feldjäger in Af­gha­nistan, ein Toter, zwei Schwer­verletzte und weitere Verletzte. Philipp ahnte nicht, dass dies der Beginn seiner PTBS sein wird, alles wird verdrängt, zu Hause gibt es etwas zu erzäh­len, das Erlebnis wird wegge­steckt. Nach Monaten kommen die er­ten unkontrollierten Rückmeldungen, das Erlebte blitzt vor Philipp auf. Immer stärker durchschaut er die Trig­ger, die diese „Back-flashs“ auslösen, er meidet sie, hat stän­dig Angst, sich doch ihnen aus­setzen zu müssen – die Bundes­wehr-Einsätze gehen weiter und eine „seelische Verwundung trägt keinen Ver­band“, der nach außen hin Rücksicht legitimiert. Jahre des Verschweigens, des Sich-Schämens vergehen, bis sich Philipp in Therapie begibt und sich zu seiner seelischen Ver­letzung bekennt.

Frank Schwartz ließ uns in das seelische Leiden seines Soh­nes blicken, distanziert referiert und doch so berührend. Wir erlebten, was PTBS ganz kon­kret für einen Menschen be­deutet, der am liebsten alles verschwiegen und von sich abgetrennt hätte. Wir hatten in Psychologie das Jahres-Thema „Krisenbewältigung“, viel Theo­rie, viele Strategien, jetzt er­lebten wir hautnah Krisenbe­wältigung und den langen, steini­gen, oft verzweifelten Weg bis zur Bewältigung, ein Weg, von dem man nicht weiß, wann er wirklich zu Ende ist und ob er überhaupt je zu Ende sein wird.

„FT-Abi-Plattform“

  PTBS-Dokument

Video: „Posttraumatische Belastungsstörung – der Leidensweg unseres Sohnes“ (Bundeswehr)

Materialien für Lehrer und Schüler

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