Scheffelpreis 2010: Ramona Veith

 

Liebe Ramona,
wenn ich drei Jahre zurückblicke, so war mein erster Eindruck von dir in der 11. Klasse: Doppelpack: Du und Katharina! Und gäbe es einen ersten und zweiten Scheffelpreis, so würde dieser zum Doppelpack-Scheffelpreis, denn Katharina stand an 2. Stelle für den Scheffelpreis.
Du hast ihn nun bekommen, herzlichen Glückwunsch!

Du hast ihn verdient, weil du die Klasse und mich mit deinen präzisen Fragen zum Überdenken zwangst, damit uns voran brachtest und damit dich auch. Dieses analytische Denken spiegelte sich kontinuierlich in den Klassenarbeiten wider, dazu kam deine Fähigkeit der exakten Formulierung, verbunden mit einer eleganten Zitatintegration.

Und noch was imponiert mir an dir: deine umfassende Begabung plus dein künstlerisches Talent.

Ich wünsche dir für deine weiteren Ziele alles Gute
und nun viel Erfolg für deine Abiturienten-Rede!
Klaus Schenck

Scheffelpreis-Rede von Ramona Veith

Die Scheffelpreisrede – Das ist also der Preis, den man für ordentliche Deutschnoten zahlen muss. Schließlich ist eben jene Rede mit einer intensiven Vorbereitungszeit, Nervosität vor dem Vortrag und einer Menge Kopfzerbrechen im Voraus verbunden.
Tatsächlich stehe ich nun also hier oben und halte die diesjährige Abiturrede. Kaum zu glauben, wenn ich daran denke, dass ich vor zwei Jahren noch als Gast und vor einem Jahr als Bedienung selbst auf die damaligen Preisträger geschaut habe. So ändern sich nun einmal die Perspektiven im Leben.

Und damit heiße auch ich Sie recht herzlich willkommen zum Abiball und lade Sie ein, durch meine Rede ein wenig mehr über die Schulzeit aber auch über Fußball zu erfahren. Gemeinsam werden wir in der Vergangenheit blättern, um in der Zukunft lesen zu können. Und am Ende komme ich zu einem ganz erstaunlichen Fazit: Schule und Fußball haben verdammt viel gemeinsam.

Spätestens als einige Väter meiner Mitabiturienten – einschließlich mein eigener – an der Wichtigkeit dieses Abiballs im Vergleich zu dem heutigen Fußballspiel starke Zweifel äußerten, war mir bewusst, dass die Welt des runden Leders in meiner Scheffelpreisrede einen Platz finden muss. Auch wenn ich nie selbst Fußball gespielt habe und mich nicht zu den allergrößten Fußballfans zähle, habe ich im Laufe der WM in Südafrika diese unglaubliche verbindende Kraft gespürt, die der Fußball auf die Menschen ausübt. Bei wohl keinem anderen Anlass werden so viele Menschen angezogen, die hinter dem deutschen Team stehen und letztendlich eine große Fußballfamilie mit einer gemeinsamen Vision bilden: WM-Titel. Da ein Fußballspiel bekanntermaßen nicht allein von einem Spieler gewonnen werden kann, sondern eine ganze Mannschaft für einen Sieg verantwortlich ist, habe ich meine Klasse im Voraus gebeten, sich mit jeweils einer Äußerung an dieser Rede zu beteiligen. Schließlich waren wir ein Team – ein Team aus 20 Mann. Die Telefonate, Lerngruppen und gegenseitigen Beruhigungsmaßnahmen verdeutlichen dies nur zu gut. Ähnlich wie die Fränkischen Nachrichten das DFB-Team heute betiteln, so waren auch wir eine Art ,verschworene Gemeinschaft‘. Unsere Gemeinschaft, die von dem ein oder anderen gar als ,liebste Klasse aller Zeiten‘ gelobt wird, hat den unbedingten Siegeswillen verspürt, den die schwarz-rot-goldene Elf nun im letzten Gruppenspiel so dringend braucht. Von den Eltern und Freunden getragen, die während dem Abitur wohl die Rolle der Fans eingenommen haben, sollen wir nun dem Termindruck standhalten und in etwa 3 Wochen die Bewerbungen an die Universitäten abgesendet haben. Dieses Etappenziel muss fest in unseren Köpfen verankert sein, doch es darf auf keinen Fall unser Endziel darstellen – denn wie Bastian Schweinsteiger betont „wollen wir mehr“ als nur eben dieses Überstehen der Gruppen- bzw. Bewerbungsphase. Fest steht, dass das Spiel am heutigen Abend gegen Ghana kein Selbstläufer wird – durch Motivationslosigkeit und fehlendes Engagement droht allerdings nicht nur der deutschen Fußballmannschaft, sondern auch jedem einzelnen von uns das Vorrunden-Aus. Ohne Zweifel – bis wir unser Ziel, im Berufsleben Fuß zu fassen, erreicht haben, werden noch einige Jahre vergehen. Doch um erfolgreich zu sein, müssen wir uns schlichtweg die Tugenden der Nationalelf zu Nutze machen. Welche das sind, verrät DFB-Präsident Theo Zwanziger: „Die Mannschaft strahlt ein großes Selbstbewusstsein und eine große Zuversicht aus, ohne dabei überheblich oder sogar arrogant zu wirken.“ Eben jenes Selbstbewusstsein und jene Zuversicht sind nötig, um das Leben nicht in sinnloser Routine und Langeweile enden zu lassen. Ansonsten wird man gelebt anstatt selbst zu leben. Jubel oder Jammer, Freude oder Frust? – Nicht nur im Fußball liegen Ruhm und Fall nahe beieinander, auch wir werden bei der Studien- und Berufswahl sowohl Tränen der Freude als auch Tränen der Trauer vergießen werden. Doch man darf eines nicht vergessen: Tränen fließen zwar, aber sie versiegen auch wieder. Wir müssen akzeptieren, dass nicht jeder Schuss ein Treffer ist und können uns ein Beispiel am DFB-Team nehmen. Denn Jogis Jungs sind „heiß auf Ghana“ und genau diesem Durst nach Leben ist es zu verdanken, dass die Niederlage gegen Serbien gut aufgearbeitet wurde. „Kopf hoch!“ lautet die Devise von Bundestrainer Joachim Löw. Recht hat er – denn wer den Kopf hochhält, kann ihn nicht hängen lassen. So ist es kein Wunder, dass heute keiner mehr vom Ausfall Ballacks spricht. Und das ist auch gut so – Schließlich hat uns der Roßhändler „Michael Kohlhaas“ eindrucksvoll bewiesen, dass eine pyramidal angeordnete Motivation mit nur einem Fixierpunkt zum Ruin führt. Heute wird das taktische System der deutschen Mannschaft nicht mehr nur auf einen Spieler ausgelegt, sondern jeder übernimmt Verantwortung für jeden. Die DFB-Auswahl entspricht einer modernen Unternehmensstruktur, welcher auch wir in absehbarer Zeit begegnen werden. Während im Fußball von „Pässe spielen“, „Tempo steuern“, „Richtung vorgeben“ und „Spiel organisieren“ die Rede ist, werden diese Begrifflichkeiten im Management zum Schlüsselwort ,Kooperation‘ zusammengefasst. Schon Bertolt Brecht spottet in seinem bekannten Gedicht „Fragen eines Arbeiters“ über das Selbstverständnis großer Männer, die vorgeblich ganz alleine Heldentaten begehen. Seine Kritik klingt wie folgt:
„Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?“

Leicht lässt sich Brechts Gedicht fortführen:
„Die Schüler des Jahrgangs 2009 / 2010 des Wirtschaftsgymnasiums TBB haben das Abitur geschafft.
Sie alleine?“

Die Antwort: Keineswegs!
Auf unserem Weg zum Abitur hatten wir nicht nur unsere Lehrer dabei. Da gab es vielmehr noch die Geschwister, die Eltern und alle Freunde, die uns gemeinsam begleitet haben. Im Namen aller Abiturienten möchte ich mich an dieser Stelle recht herzlich für die Unterstützung bedanken. So wäre es auch falsch zu behaupten „Ich habe das Abi geschafft“. Nein, wahrhaftig muss hier das ,Wir‘ verwendet werden: „Wir haben das Abi geschafft“. Dankeschön hierfür! Demgemäß mache ich mir auch keine Sorgen, dass wir die geforderten ,kooperativen Fähigkeiten‘ im Berufsleben nicht erfüllen können. Schließlich haben wir unser Talent diesbezüglich tagtäglich unter Beweis gestellt.

Während einige von euch, liebe Mitabiturienten, die Zeit auf dem WG laut eigener Aussage als „gechillt“ ansahen und das Abitur als überbewertet beschreiben, waren die 3 Jahre für andere die energieraubenste und stressigste Zeit ihres Lebens. Doch ganz egal welche Eindrücke ihr in Erinnerung behaltet, ich bitte euch darum, sie als einen Teil von euch niemals ganz aus dem Gedächtnis zu streichen – ich werde es sicherlich auch nicht tun. Denkt immer daran, dass die Erinnerung das einzige Paradies ist, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Dem werden wohl nicht nur die Fußballfans zustimmen, die sich die WM-Siege 54, 74 und 1990 immer wieder in Erinnerung rufen. Euch, liebe 13er, wünsche ich, dass euer Durst nach Leben nie gestillt wird, dass ihr weiterhin Teil einer ,verschworenen Gemeinschaft‘ seid, die euch den Rücken stärkt und freihält und dass ihr vor allem eines nicht tut: die Hoffnung aufgeben.

Auch wenn wir heute statt dem goldenen WM-Pokal unser Abizeugnis in der Halt halten, können wir stolz auf uns sein: Schließlich waren wir Spieler, Trainer, Betreuer und Mannschaftsarzt in einem. Egal ob für uns selbst oder für unseren Nebenmann. Wir haben uns selbst bewiesen, dass wir eine Mannschaft sind. Eine Mannschaft, die – wie Bushido in seinem WM-Hit schreibt – wie Fackeln im Wind steht. Zwar sind noch keine 90 Minuten vergangen, doch um es in der Fußballsprache auszudrücken ist es nun an der Zeit, dass der Schlusspfiff ertönt. Ich hoffe inständig, dass ich auch ohne etliche Danksagungen, moralische Appelle und klassische Zitate diese Rede einer Preisträgerin würdig gestaltet habe.

Der Scheffelpreis hat mich wieder ein Stück weit mehr zu mir selbst geführt und mir erst bewusst gemacht, wie sehr ihr mir, liebe 13/1 allesamt fehlen werdet. Jeder einzelne von euch hat einen Platz in meinem Herzen!

Heute heißt es also auch in rund einer Stunde: Daumen drücken ist angesagt.
Eigentlich ist ja alles ganz einfach: Das Runde muss nur ins Eckige.

Genießen sie den Rest des Abends – vielleicht ja auch bei einem Glas Captain Morgan.
Ganz zum Schluss möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass die Abizeitung ab 20. Juli in der Schule zum Verkauf angeboten wird.
Dankeschön für Ihre freundliche Aufmerksamkeit!
Ich bedanke mich herzlich!

Rede: Ramona Veith

Abiball 2010

Fotos: Klaus Schenck

 

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