Schule als Start, Studium als Fortschritt, Bescheidenheit als Tugend – oder kurz: Erwartungshaltung ist für die Tonne!

Schule als Start, Studium als Fortschritt, Bescheidenheit als Tugend – oder kurz: Erwartungshaltung ist für die Tonne!

Schule, das leidige Thema bei vermutlich jedem Schüler. Jeden Morgen früh raus, Hassfach, Hasslehrer, Zeit absitzen, Noten abholen und wieder nach Hause. Wenn die Noten trotz mangelnder Beteiligung nicht passen, werden Mutti und Vati schon helikoptern und den Pauker bearbeiten – der Nachwuchs muss ja schließlich studieren. Dreckige Hände finden in der Vorstellung der heutigen Generation „Schüler“ leider keinen Platz, noch weniger in der Vorstellung ihrer Eltern, die für den Nachwuchs nur das Beste wollen und ihnen gleichzeitig die Erwartungshaltung schon mit auf den Weg geben.

Wer ist der Kerl, der da meine Generation kritisiert, wird sich der ein oder andere fragen und woher nimmt er sich das Recht?

Mir ging es in vielen Punkte nicht anders, Schule als notwendiges Übel, gesundheitlich angeschlagen und mehr durch Abwesenheit als durch alles andere glänzend. Wechsel aufs WG, Schenck als Klassen- und Deutschlehrer, erster Gedanke: „Supergau“. Gymnasium als Lückenfüller, weil man noch nicht so richtig über die Zukunft nachdenken wollte.

Im Anschluss dann Ausbildung zum Schiffsmechaniker, internationale Seefahrt auf Containerschiffen. Direkt beim Bewerbungsgespräch wurde klar, dass der Arbeitgeber die Ausbildung lediglich als Sprungbrett zum Heranziehen des eigenen Ingenieurnachwuchses betrachtet und ein Anschlussstudium von den Azubis erwartete. Studium für mich als Schulmuffel, eigentlich eher nicht die passende Option, also wieder notwendiges Übel.

Abbildung 1 Azubizeit, in der Laufbuchse eines 2Takt Motors beim Kolben ziehen

Nun kamen zwei wesentliche Unterschiede zur Schule ans Licht.

  • Erstens: Wenn es um für einen persönlich interessante Sachen geht, fällt einem die Wissensaufnahme einfacher.
  • Zweitens: Es interessiert den Dozenten relativ wenig, ob man etwas versteht und ob man im Endeffekt dann die Prüfung auch besteht.

Spätestens hier endet die Erwartungshaltung an den Bildungsträger: „Sie müssen mir das vermitteln.“ Studium ist selbstverantwortlich, die Erwartungshaltung kann sich höchstens an einen selbst richten und zu diesem Zeitpunkt kommen viele in der Realität an. Für einige ist der Fall tiefer, andere fallen sanfter, weil sie früher schon den Fehler bei Versagen bei sich selbst suchten und nicht bei anderen.

Nach dem Studium wiederum Seefahrt als Schiffsbetriebsingenieur. Wie auch die ganze Zeit zuvor war die Ausbildung Teil des Jobs. Nur die Azubis veränderten sich. Erwartungshaltung: „Du musst mir das bis ins Kleinste erklären, auch wenn ich keine Grundlage und wenig Lust mitbringe“. Meine Ausbildungsmethode war immer die gleiche – jene, nach welcher ich selbst auch gelernt hatte: „Morgen steht dieser Job an, hier ist das Handbuch, lies es dir durch, wenn du danach Fragen hast, frag mich“.

Komischerweise funktionierte das bei den meisten jüngeren Azubis nicht so recht, die oben genannte Erwartungshaltung stand uns beiden im Weg.

Mir, weil ich neben dem täglichen Betrieb nicht die Zeit aufbringen konnte, alles bis ins Kleinste zu erklären; dem Azubi, weil er dann anstatt mit mir zu arbeiten und etwas zu lernen, mal wieder den Boden im Maschinenraum aufmoppt: Arbeiten an Maschinen ohne Grundverständnis war einfach zu gefährlich! Enttäuschung beim Azubi wegen der vermeintlichen Bestrafung, gewisser Frustlevel bei mir, weil mir die zusätzliche Arbeitskraft fehlt und der Kram an mir hängen bleibt.

Leider kam es nicht selten zu diesen Situationen, daher in Bezugnahme auf die Überschrift: „Erwartungshaltung ist für die Tonne!“ Für beide Seiten!

Die Bringschuld liegt erstmal bei demjenigen, der lernen möchte, sobald der Ausbilder oder Lehrer merkt, dass wirkliches Interesse besteht, wird‘s für beide Seiten einfacher. Wenn man nichts lernen möchte, sollte man dann zumindest so fair sein, anderen Beteiligten nicht die Zeit zu stehlen.

Versteht mich nicht falsch, Ausbildung hat mir immer Spaß gemacht. Wissensvermittlung macht Spaß, insofern eine Lernbereitschaft beim Lernenden vorhanden ist. Ansonsten ist es eher wie Wasser mit dem Eimer in den Bach tragen – ermüdend und ohne sichtbaren Effekt. Ein Problem, das viele Lehrer vermutlich kennen, und auch bei mir kam diese Erkenntnis erst beim Wechsel vom Wissensempfänger zum Vermittler.

Bringt all euer Wissen und Interesse mit, seid engagiert und denkt selbstständig mit und erwartet „nichts“. Hört zu, wenn ein Ausbilder oder jemand mit mehr Erfahrung etwas erzählt und nehmt es in euer Wissen auf, auch wenn es euch in diesem Moment nicht logisch erscheint. In einem ruhigen Moment und nach Abschluss einer Tätigkeit kann man dann in Ruhe nochmal nachfragen, ohne „die Hitze des Gefechts“ voll abzubekommen. Schaut zu, wenn Arbeiten durchgeführt werden und stehlt mit den Augen. Wichtig in diesem Zusammenhang: Es werden auch Arbeiten anfallen, die man nicht leiden kann, die einen körperlich und oder mental an die Grenze bringen werden. Dann heißt es durchbeißen, es wird auch wieder besser.

Was hat das jetzt alles mit der Schulausbildung zu tun? Nun ja, denkt an euer „Hassfach“, Montag morgens… Doppelstunde…. im Winter… Traumvorstellung. Bestehen müsst ihr das Fach so oder so, das ist die erwähnte Situation, die durchbeißen erfordert. Der Lehrer kann auch nichts dafür, dass euch das Fach nicht liegt, das kann er aber nicht riechen. Sprecht mit dem Lehrer, dass ihr nicht Feuer und Flamme für sein Fach seid und er wird euch den gelangweilten Gesichtsausdruck eventuell eher verzeihen. Und zu guter Letzt, wie vorher schon geschrieben: Je früher ihr den Fehler für etwas, was ihr nicht versteht, bei euch sucht und nicht beim Lehrer, umso besser! Wer interessiert zuhört und Fragen stellt, wird sicherlich auch noch eine zweite Erklärung bekommen. Vorausgesetzt ist dabei nur wieder ein gewisses Interesse. 

Ich selbst wurde mehr oder minder ins Studium gezwungen und habe es abgeschlossen, etwas, was ich selbst nie von mir erwartet hätte. Ich habe einfach nicht so den Bezug zu Lehranstalten. Dennoch hat es funktioniert, aber nicht ohne eine Menge Arbeit meinerseits.

Nach dem Studium verhält es sich dann wiederum ähnlich wie in der Ausbildung, nur ist man selbst wieder der Azubi und gleichzeitig in verantwortlicher Position. Auch hier ist Zuhören und Weiterlernen angesagt. Hier kommt man mit Erwartungshaltung gar nicht mehr weiter, ganz im Gegenteil. Alles, was einem Kollegen weitergeben, ist Bonus: Du hast selbst studiert, die Leute haben die Erwartung an dich, dass du alles auf die Kette bekommst. Ist dies nicht der Fall, war‘s das dann auch ganz schnell mit der Anstellung. Also wieder, Fehler bei sich selbst suchen, aufarbeiten und den Hintern hochbekommen, durchbeißen!

Für diejenigen, die es bis hierher geschafft haben: Die Quintessenz aus zweieinhalb Seiten: Es gibt keinen Anspruch darauf, dass dir ein Lehrer/Ausbilder/Dozent Wissen hinterherträgt und du die Prüfung bestehst. Wer sich nicht engagiert und erwartet, dass andere für einen den Job machen, wird früher oder später in die Röhre schauen.

Mittlerweile habe ich mit der Seefahrt aufgehört und arbeite bei einem Hersteller für Großmotoren im Service und lerne immer noch jeden Tag dazu.

Christian Reum

Materialien für Schule und Deutsch-Abitur

Aktuell: „Psychologie-Tipps für die Schule“, neurologisch-psychologische Forschungsergebnisse in Blick auf Handys und soziale Medien: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/

In einer Datei: alle Links zur Deutsch-Abi-Lektüre der letzten zwanzig Jahre bis heute und zu den wichtigsten Abi-Aufsatzarten (Stand 2018): https://www.klausschenck.de/ks/downloads/f32-03-anhang-literatur-neu-2023-11.pdf

Abi-Präsentationsprüfungen auf YouTube – alphabetisch nach Fächern geordnet plus eine Fülle an realisierten und ausgefallenen Präsentationsideen – erklärt und gezeigt an Referatsfotos: https://www.klausschenck.de/ks/praesentationen/abi-praesentationen/index.html

Allgemeine Abitur-Tipps: https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/klassenarbeiten/geziele-abitur-hilfen-in-corona-einsamkeit/index.html 

Artikel-Serie: „Die Stillen in der Schule“ – Schüchternheit/Introversion: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/

Artikel-Serie (22 Artikel): „Schülerzeitungsermutigung“ – Rückblick auf über zehn Jahre: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/redaktionsgroesse-zwei-pizza-regel/

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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