Oft werde ich gefragt, ob ich in einem Fanclub der Eurovision-Songcontest-Siegerin Lena Meyer-Landrut sei. Der Grund dafür ist die Halskette, die ich häufig trage, denn es ist die gleiche wie die der „Satellite“-Sängerin. Die Kette, die zugleich Kreuz als auch Friedenstaube darstellt und in verschiedenen Farben erhältlich ist, stammt jedoch aus dem französischen Taizé, das jährlich Tausende von jungen Menschen anzieht. Wer jetzt an ein zweites Lloret de Mar denkt, liegt total falsch. Taizé ist keine Partymeile, in der Jugendliche von einer Bar zur nächsten ziehen, um zu feiern, sich zu betrinken und faul am Strand zu liegen. Taizé ist ein Ort der Stille und des Glaubens, denn dort leben die Brüder der Communauté de Taizé. Jeder Besucher wird in das Leben der Gemeinschaft eingebunden, indem er einen Tagesplan hat. Dazu gehören das Morgen-, Mittags- und Abendgebet ebenso wie Arbeit. Diese wird zu Beginn gewählt und kann ganz unterschiedlich sein: Betreuung einer Gruppe Jugendlicher, mit denen ein vorgegebenes Thema behandelt wird, beim Kochen helfen, Putzen von Toiletten und Duschen, . . Dazwischen gibt es immer wieder geregelte Mahlzeiten und am Abend besteht die Möglichkeit am „Oyak“ zu feiern und einzukaufen, jedoch nicht ohne Nachtruhe. Untergebracht ist man in Zelten oder in Baracken, was die Einfachheit des Lebens in Taizé einmal mehr verdeutlicht. Die Frage, warum Menschen, obwohl es keinen Luxus gibt, in das französische Dorf gehen, ist nicht einfach zu beantworten. Die meisten sagen: „Taizé kann man nicht beschreiben, man muss es erlebt haben.“
Dennoch werde ich versuchen eine Antwort zu liefern. Taizé ist ein Ort der Begegnung und der Gemeinschaft, ein Ort, an dem man Kraft tanken und zu sich selbst finden kann. So ist die Quelle beispielsweise ein Platz, an dem vollständige Ruhe angesagt ist, sodass jeder Zeit für sich hat. Der Gedanke, dass man drei Mal am Tag in die Kirche geht, schreckt wohl die meisten Jugendlichen zunächst einmal ab, doch die Kirche und die Gottesdienste in Taizé sind anders als bei uns in Deutschland. Die Kirche ähnelt einer Turnhalle, in der man auf dem Boden sitzt und auch der Gottesdienst ist anders aufgebaut. Er besteht fast nur aus Liedern, die einen beruhigenden Klang haben und in verschiedenen Sprachen gesungen werden. Hier ist es selbstverständlich, dass junge katholische und evangelische Menschen, aber auch Andersgläubige, konfliktlos beten und feiern. Eine gelebte Ökumene, bei der man nicht versteht, weshalb die christliche Kirche offiziell noch immer so stark gespalten ist. Jeden Freitag findet das „Gebet vor dem Kreuz“ statt, bei dem das Kreuz angebetet wird und jeder seine Leiden, Bitten und Probleme zum Kreuz tragen kann. Samstagabends ist dann das Gebet mit dem Osterlicht. Hier wird die Auferstehung Jesu Christi gefeiert. Jeder erhält eine Kerze, wodurch sich die ganze Kirche in ein einziges Lichtermeer verwandelt. Hiermit endet die Woche in Taizé, die die meisten Menschen tief berührt und sie voller Kraft heimkehren lässt, viele mit dem Bewusstsein, sicherlich ein weiteres Mal zu kommen!
Artikel: Patricia Haberkorn
Materialien für Lehrer und Schüler
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