Tschüss Facebook!

Als ich meinen Plan, Facebook leb‘ wohl zu sagen, das erste Mal aussprach, war die Reaktion ausschlaggebend für meine kommende Entscheidung: „Das machst du eh nicht“. Meine Freunde starren mich ungläubig an, als ich erkläre, dass ich dieses seltsame und  irgendwie langweilig klingende „reale Leben“ mal ausprobieren will. Es scheint ihnen, als sei ich verrückt. Ihre Münder stehen offen, große Augen, ich könne das doch nicht machen. Wieso nicht?

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Nur wenige Tastenklicke und ich stürze hinab in das Reich der Facebook-Toten. Das war’s nun, mein digitaler Suizid.  Ich tauche ein in die Menschenmenge der Leute, die nie etwas mitbekommen und erst beim nächsten Treffen wissen werden, dass Frau Mustermann sich die Haare gefärbt hat, während die Facebook-Welt schon lange darüber lacht. Ich habe mein Stalker-Dasein aufgegeben, um mal wieder durch ein richtiges Fenster zu schauen. Sehnsüchtig nach dem realen Leben, ich habe so viel davon gehört.

Schule ohne Facebook sollte doch eigentlich kein Problem sein… Aufgabenblätter im Unterricht, um die Lösungen zu besprechen, reicht die Zeit nicht. Nur ein Lösungsblatt für 20 Schüler, im 21. Jahrhundert kein Problem, es wird abfotografiert, gepostet, 19 Schüler haben die Lösungen, ich nicht.

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Egal, schließlich ist es Freitag. Schon wochenlang hat Freund XY nichts mehr von mir gehört. Der Abend eignet sich zum Treffen, doch beim Griff zum Handy bemerke ich, dass ich seine Nummer nicht habe, seine Adresse nicht kenne und auf seinen Nachnamen nie geachtet habe. Da ich keine Lust habe allein daheim zu sitzen, gehe ich mal wieder spazieren, bemerke, dass es nun abends wieder länger hell ist, die Blumen blühen und Schmetterlinge fliegen. Zuvor ist es mir nie aufgefallen, einfach nur, weil es niemand gepostet hat. Die Straßen sind leer, die Liste der Online-Freunde bei Facebook sicher überfüllt.

Samstag fällt mir ein, dass ich zu einer Feier eingeladen bin. Wann und wo weiß Facebook, ich nicht. Facebook, mein zweites Gedächtnis, tot. Ich sitze zu Hause, scheinbar abgeschnitten von der Zivilisation. Das reale Leben scheint eintönig, wenn man dort der Einzige ist.

Am Sonntagabend liege im Bett, als es plötzlich in mein‘ Gehirn einschlägt: Hausaufgaben! Hausaufgabenhefte sind out. Die Facebook-Klassengruppe, das zweite Gehirn, zu befragen ist jetzt nicht mehr möglich, ich bin draußen. Telefonnummern von Klassenkameraden in Facebook-Zeiten? Davon träume ich jetzt.

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Beim montägigen Schulbus-Tratsch mit den Freundinnen zücke ich das Handy, um auf der Facebook-App zu zeigen, von wem ich schon seit zehn Minuten rede. Peinliche Stille. Ich stecke es zurück und beschreibe. Mein Gegenüber nickt, versteht mich aber nicht.

Dann dieses ständige, in allen Lebenslagen ausgesprochene: „Ich schicke es dir einfach später, ach, nein, geht nicht, du bist ja nicht mehr bei Facebook.“. Vorwurfsvoll, als hätte ich etwas verbrochen, als wäre Facebook zwingend verbunden mit der Handlung „verschicken“, als ginge es wirklich nicht. Es wird Zeit, dem Primitiven den Rücken zuzukehren.

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Bisher sind nur zwei Wochen vergangen, schon verliert sich der Kontakt zu einigen „Freunden“. Unendliche Möglichkeiten und trotzdem festgefahren auf eine Community.  Reaktionen, Erklärungen, Entschuldigungen, als würde ich Briefe erwarten, deren Versand Wochen dauert… zu lästig, zu zeitaufwendig, nicht schnell genug, zu faul, nicht wichtig.  Die Begründung scheint logisch, vor zwei Wochen hätte ich sie vielleicht noch akzeptiert.

 

Alle Artikel der Psychologie-Serie (soziale Medien) mit Links

Neuer Artikel: „Kinder, geht endlich offline: Pädagogen und Politiker wollen die Digitalisierung im Klassenzimmer zurückdrehen“ und „Tipps für Familien“ (ab welchem Alter – welche digitalen Medien): https://www.schuelerzeitung-tbb.de/kinder-geht-endlich-offline-paedagogen-und-politiker-wollen-die-digitalisierung-im-klassenzimmer-zurueckdrehen/

  1. „Alle Vorsätze sind für den Arsch, wenn man sich nicht daran hält“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/
  2. „Die Aufmerksamkeit ist der Meißel des Gedächtnisses“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-aufmerksamkeit-ist-der-meissel-des-gedaechtnisses/
  3. „Wer zwei Hasen gleichzeitig jagt, wird keinen davon fangen“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/wer-zwei-hasen-gleichzeitig-jagt-wird-keinen-davon-fangen/
  4. „Where the focus goes, the energy flows“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/where-the-focus-goes-the-energy-flows/
  5. „Tagträumen ist vielleicht die wichtigste Arbeit in meinem Leben“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/tagtraeumen-ist-vielleicht-die-wichtigste-arbeit-in-meinem-leben/
  6. „Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/das-leben-der-eltern-ist-das-buch-in-dem-die-kinder-lesen/
  7. Generation Z: Dumbphone statt Smartphone: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/generation-z-dumbphone-statt-smartphone/

Handy-Artikel der Schülerzeitung

Ergänzendes Material: Manuskript plus Link zur YouTube-Sendung

Materialien für Schule und Deutsch-Abitur

In einer Datei: alle Links zur Deutsch-Abi-Lektüre der letzten zwanzig Jahre bis heute und zu den wichtigsten Abi-Aufsatzarten (Stand 2018): https://www.klausschenck.de/ks/downloads/f32-09-anhang-literatur-2024-02.pdf  

Abi-Präsentationsprüfungen auf YouTube – alphabetisch nach Fächern geordnet plus eine Fülle an realisierten und ausgefallenen Präsentationsideen – erklärt und gezeigt an Referatsfotos: https://www.klausschenck.de/ks/praesentationen/abi-praesentationen/index.html

Allgemeine Abitur-Tipps: https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/klassenarbeiten/geziele-abitur-hilfen-in-corona-einsamkeit/index.html 

Artikel-Serie: „Die Stillen in der Schule“ – Schüchternheit/Introversion: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-stillen-in-der-schule-1-vom-glueck-der-introversion/

Artikel-Serie (22 Artikel): „Schülerzeitungsermutigung“ – Rückblick auf über zehn Jahre: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/redaktionsgroesse-zwei-pizza-regel/

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