Vom Bildungsland zum Billig-Noten-Land

„Hauptsache, gute Noten!“, forderte ein Vater von mir auf der Elternversammlung. Früher hieß es: „Hauptsache, mein Kind lernt etwas!“ Welch‘ gewaltiger Unterschied, ein Paradigmen-Wechsel, eine diamentral gegensätzliche Sicht von Schule. Nicht der Schüler hat angemessene Noten sich zu verdienen, sondern die Schule hat gute Noten – ohne Rücksicht auf Angemessenheit – zu liefern. Die Noten sind nicht mehr Ausdruck von Leistung, sondern das Markenzeichen „guter“ Schulen. Das ist eine Pervertierung von Noten, sie werden ihrer Funktion entkleidet und als schulischer Werbe-Gag missbraucht. Mit Bananen lockt man Affen aus dem Urwald, mit guten Noten Schüler an die eigene Schule. Nur sind Noten kein Lockmittel und Schüler keine Affen! Wir als Lehrkräfte haben für Schüler Verantwortung – für deren Gegenwart und Zukunft! Die beklagte Noteninflation hat System: Wo mit Noten Schüler angelockt und von anderen Schulen weggelockt werden, werden junge Menschen zu „Klassenfüllern“ für die jeweilige Schule entwürdigt, missbraucht, nicht aber deren Zukunft in den Mittelpunkt gestellt.

Die Masse der Lehrkräfte hat sich in den Noten zwischen Zwei und Drei stressfrei einquartiert, kein Ärger mit den Eltern, super Verhältnis mit den Schülern, nur ist das letztendlich bewusst gewollter Betrug an ihnen. Feigheit in den Noten ist die eleganteste und angenehmste Form des Stehlens aus der pädagogischen Verantwortung, es bringt dem Lehrer Pluspunkte und den Schulen Schülern, zusammengefasst: Es vergeigt Zukunftschancen junger Menschen zugunsten von Stressfreiheit von Lehrern und vollen Klassen von Schulen.

Welche Schule in Baden-Württemberg als erste zur Noten-Manipulations-Anstalt verkam, weiß niemand. Wir kennen aber das Ergebnis dieser Noten-Manipulation: den Absturz unseres Bildungslandes Baden-Württemberg. Jedes pädagogisch angemessene Durchgreifen – vom Schulverweis bis zu gerechten Noten – wird sofort  wieder eingestampft mit Blick auf die Nachbar-Schule, die mit gechilltem Image von irgendeinem Hokuspokus, mit Lockerheit und super Noten wirbt, folglich gleich als Konkurrenz um „Schülermaterial“ ängstlich wahrgenommen wird. Der Strudel nach unten hat vor einigen Jahren begonnen, das verantwortungsvolle Ziel jeder Schule, motivierende Leistungsschule zu sein, die sich der Zukunft junger Menschen verschrieben hat, wurde der leicht „bewerbbaren“ Schul-Attraktivität geopfert und der stete Hinweis auf die Nachbarschule verhindert angemessenes Fordern, angemessene Noten, angemessene Disziplinarmaßnahmen.

Wenn wir weiterhin unser Bildungsland Baden-Württemberg in ein Billig-Noten-Land verkommen lassen, Leistungsmesser Noten zu Werbe-Bananen für Schulen, haben motivierende Leistungsschulen mit gerechten Noten immer schlechtere Karten, wobei gerade diese Schulen ihre Verantwortung wahrnehmen. Sie zu stärken wäre die Aufgabe der Eltern durch die Anmeldung ihrer Kinder, fordert dann aber Eltern mit Rückgrat, das nächste Problem heutiger Zeit.

Irgendwann werden die kaum noch aussagekräftigen Abschlusszeugnisse dazu führen, dass Betriebe und Hochschulen (derzeit Uni Lüneburg) mit eigenen Tests mit entsprechendem Schwierigkeitsgrad und Anforderungsprofil sich ihre Leute selbst aussuchen, was angesichts der Notenwillkür in Deutschland nur gerecht ist. Genau dies wäre dann die Stunde der motivierenden Leistungsschulen, besonders in unserem Bildungsland Baden-Württemberg, was mich für diese Motivations-Schulen ungemein freuen würde, noch mehr aber für ihre Absolventen, die zielorientiert vorbereitet mit Wissen, Kompetenz und Power in ihre Zukunft starten.

Artikel und Fotos: Klaus Schenck (Tauberbischofsheim), 2017

Dreißig Jahre Veröffentlichungen eines „Unzeitgemäßen“, dessen Warnungen damals sind heute beklagte Schulrealität: https://www.klausschenck.de/ks/veroeffentlichungen/paedagogik/index.html

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Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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