Was heißt es, sich auf der Planche zu verletzen?

Verletzungen sind immer schlimm. Sich jedoch während eines Wettkampfs bei einem Gefecht auf der Planche zu verletzen, ist wohl der „Worst Case“. Zuallererst ist es natürlich immer die Frage, wie schlimm ist die Verletzung? Muss der Wettkampf direkt abgebrochen werden oder kann man eventuell mit einem Tapeverband oder einer Schmerztablette das laufende Gefecht noch weiter fortsetzen? Jeder Athlet, der seine Sportart professionell betreibt, will unter keinen Umständen aufgeben. Denn ohne den unbedingten Siegeswillen wird man sich auf internationaler Ebene kaum durchsetzen können. Dieser Siegeswille bringt Sportler regelmäßig dazu, sich bei Verletzungen während eines Wettkampfes weiter durchzukämpfen, über die Grenzen seines Körpers hinauszugehen und den Kampf irgendwie noch zu Ende zu bringen und zu gewinnen.

Oft ist es natürlich insgesamt für die Gesamtsituation nicht von Vorteil, seinen Körper über diese gesunde Grenze hinaus zu zwingen weiter zu arbeiten, doch dies kann man unter Einfluss von Adrenalin und Emotionen während eines Wettkampfes nahezu unmöglich objektiv einschätzen. Ich habe mir vor einigen Jahren in der Runde der 64 in Havanna meine Bänder im rechten Sprunggelenk gerissen, indem ich mit voller Geschwindigkeit auf dem erhöhten Rand der Fechtbahn gelandet und dort umgeknickt bin. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit 13:9 geführt und somit fehlten mir also nur noch zwei Treffer zum Erreichen der Runde der letzten 32. Nachdem die ersten starken Schmerzen ein wenig abgeklungen waren und die Physiotherapeutin bereits eine Eiskompresse angelegt hatte, war meine erste Frage: „Kann ich noch weitermachen?“. Der Meinung der Ärzte nach war es schon zu stark angeschwollen und auch die Stabilität war im Sprunggelenk nicht mehr gegeben, weshalb sie mir rieten, das Gefecht aufzugeben. Für mich war Aufgeben keine Option, vor allem nicht mit einer recht komfortablen Führung und mit Sicht auf die Ziellinie. Also wurde mir mein Sprunggelenk getaped und mit Eisspray so lange behandelt, bis ich quasi kein Gefühl mehr im Fuß hatte. Voller Adrenalin und Siegeswille stellte ich mich zurück an die Startlinie, biss die Zähne zusammen und setzte die letzten beiden Treffer. Nachdem ich mich in der Teambox etwas erholt hatte, mein Sprunggelenk weiter behandelt und gekühlt wurde und der Adrenalinpegel langsam immer weiter absank, wurden auch die Schmerzen und die Schwellung immer größer. Ich trat in der Runde der letzten 32 an, konnte aber nach einigen Bewegungen nach vorne und hinten die Schmerzen kaum mehr aushalten und musste das Gefecht unter Tränen der Gegnerin überlassen. Dieser Moment ist Albtraum pur, trotzdem kann ich sagen, dass ich absolut alles gegeben habe und an diesem Tag leider nicht mehr möglich war, und das macht einen, trotz der Aufgabe, stolz und motiviert für kommende Aufgaben und Wettkämpfe.

Artikel: Anne Sauer, Florettfechterin, deutsche Nationalmannschaft

Fechtbilder: Augusto Bizzi/FIE

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