Wie fühlt man sich direkt vor dem Kampf?

Man steht auf der Planche, grüßt – jetzt gilt es. Wie bringt man sich zur Ruhe, welche Tricks gibt es, sich zu fokussieren. Diese Strategien geht man natürlich schon durch, bevor man die Planche betritt und damit der erste Kontakt mit der Gegnerin entsteht.

Man bereitet sich zum einen natürlich technisch und taktisch auf das bevorstehende Gefecht vor, zum anderen spielt im Fechtsport die mentale Stärke eine sehr große Rolle und diese Stärke muss selbstverständlich „on point“ sein, also von Beginn eines Gefechts an. Denn in vielen Fällen entscheidet direkt der Start des Gefechts und die ersten Treffer, in welche Richtung sich der Kampf entwickelt. Das bedeutet, dass man neben den technischen und taktischen Facetten die Nervosität, die Konzentration, den Fokus und auch die Gelassenheit so einstellen muss, dass sie einem selbst genauso dienen, wie man sie braucht.

Ich persönlich habe meine Nervosität schon immer gut im Griff und nutze sie zu meinem eigenen Vorteil. Sie zeigt mir, dass ich weiß, dass mir gleich eine Aufgabe bevorsteht, die mir wichtig ist und wofür ich sehr hart gearbeitet habe. Das bedeutet, dass mir meine Nervosität positiv aufzeigt, dass es nun an der Zeit ist, sich zu konzentrieren und zu fokussieren. Neben Atemtechniken hilft mir natürlich auch Musik besonders gut, in den allbekannten „Tunnel“ oder in den „Flow-Zustand“ zu gelangen. Die Art der Musik ist auch immer ein wenig abhängig von meiner Grundstimmung, die ich am jeweiligen Tag verspüre. Meistens jedoch sind es starke Songs, die mich in eine Art Vorbereitungswelt eintauchen lassen, die Umgebung verschwimmen lassen und die mir bei vergangenen Wettkämpfen schon geholfen haben.

Dann zählt nur noch Atmen und Fokus. Ich mache mir klar, welche Stärken ich gleich im Gefecht benötige und konzentriere mich auf meine Stärken, auf die ich mich immer verlassen kann. Ich bestärke mich noch einmal selbst, dass ich mich super vorbereitet habe und mein jetziger Zustand nicht besser sein könnte.

Als letzte Phase, bevor es auf die Planche geht und das Gefecht startet, setze ich meine Hände als bewusste Kontrollfunktion ein, dass auch mein Körper sofort bereit ist. Ich klatsche noch einmal alle Muskeln ab, die jetzt für die körperliche Belastung wichtig sind. Oberarme, Unterarme, Oberschenkel, Waden und am Ende noch einmal zwei einigermaßen kräftige Ohrfeigen, die den Fokus abschließend verschärfen. Ab diesem Zeitpunkt steht nur noch die direkte Vorbereitung an, es befinden sich keinerlei Gedanken mehr in meinem Kopf, die mich ablenken könnten. Jetzt fehlt nur noch die Auswahl der geeigneten Waffe, das Aufgreifen der Maske, das letzte Abklatschen mit dem Trainer und schon geht es auf die Planche und damit zum ersten Augenkontakt mit der Gegnerin. Meine Augen strahlen immer absolute Überzeugung und unbedingten Siegeswille aus, denn schon Vitali Klitschko sagte: „Die Augen sind das Fenster der Seele.“

Artikel: Anne Sauer, Florettfechterin, deutsche Nationalmannschaft

Fechtbilder: Augusto Bizzi/FIE

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