Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“ – Brief an Washington

Hinweis: Ich benutze die Wörter aus dem Roman und die Sprache, die dem Werk entspricht, was euch hilft, die Aussage des Romans besser zu verstehen und ihn leichter zu interpretieren! Klaus Schenck

Hallo Washington,

Ihr Weg zu Carla war weit, schwer, voll Irrungen, Anfechtungen und Verzweiflung. Sie gingen ihn mit dem klaren Kompass der Liebe für Frau und Kind und der klaren Vision für das Lokal in Paris mit dem Text an der Tür „NIEMAND IST UNERWÜNSCHT“.

Das Schild „FÜR JUDEN VERBOTEN“ an vielen Orten in Deutschland war eine starke Motivation für Sie gewesen, in den Krieg zu ziehen. Umgekehrt machten Sie sich über die Schilder „FÜR SCHWARZE VERBOTEN“ bei Ihnen zu Hause – ob plakatiert oder nicht – keine Illusionen. Beim Anruf bei Ihren Eltern in Baton Rouge im Staat Louisiana kannten Sie die Gedanken Ihrer Eltern: „Sie sehen die fremde Tochter im Negerviertel von Baton Rouge, sehen vor den Lokalen das unsichtbare und doch in allen präsente Schild ‚WEISSE UNERWÜNSCHT‘.“

Ihr damaliges Werben um Carla: Geld, Geschenke, immer wieder Geschenke. Ihre Logik: „Dem Reichtum würde Carla vertrauen. Sie würde dem Geld eher vertrauen als meinen Worten.“ Sie lasen in Carlas Augen zu Ihnen, „wie sehr sie sich verschenke, wie tief sie sich herablasse, und neue Liebe, neue Geschenke, neue Aufopferung“ war der Preis dafür. Sie akzeptierten ihn: Sie beschenkten Carla und sie wiederum beschenkte ihr gesamtes Umfeld. Carla, die große Wohltäterin, kündigte ihre Stellung und träumte sich in ihr Liegestuhl-Leben in den USA mit automatischer Küche, Spülmaschine und anderen Waschwundern.

Dann das gemeinsame Kind – noch ungeboren, schon Prüfstein. Auch der Gynäkologe Frahm war sicherheitshalber mit Geschenken bedacht worden. Sie ahnten, was Carla bei Dr. Frahm wollte, Sie kämpften für Ihr Kind, für das gemeinsame Kind, und Sie überzeugten den Arzt, nicht mit Geld, nicht mit Geschenken, sondern durch Ihre Entschlossenheit, durch Ihre Liebe zu Frau und Kind. Sie hatten die Abtreibung verhindert, und in der Welz-Absteige flossen Tränen, flogen Teller, Carla war außer sich vor Wut: „Meinst du, ich will deinen Bankert haben? Mit Fingern würden sie auf mich weisen. Ich bleibe hier ohne deinen Bankert und wenn ich drauf gehe, ich bleibe.“ Und Sie blieben ruhig, nahmen sie in Ihre kräftigen Arme: „Wenn alle andern uns beschimpfen: wir müssen uns liebhaben. Noch als ganz alte Leute müssen wir uns lieben.“

So ungefähr war es doch, oder? Sie hatten diesen Sieg nicht erkauft, nicht als sprintender Baseball-Star errannt, Sie schafften den größten Sieg Ihres Lebens, weil Sie auf das Gemeinsame setzten: auf die gemeinsame Liebe und auf die gemeinsame Vision des „Washington’s Inn“ in Paris, an dessen Eingang das Schild hängt: „NIEMAND IST UNERWÜNSCHT“.

„Das Abendlicht des Himmels, die untergehende Sonne schien direkt in die horizontblaue Limousine hinein. Carla und Washington hatten erleuchtete Gesichter. Sie fuhren langsam am Ufer des Flusses entlang. Jetzt hatte ihr Herz sich beruhigt. Sie fuhr keiner Magazin-Traum-Wohnung entgegen mit Liegestühlen, Fernsehapparatur und mechanischer Küche. Es war ein Traum gewesen. Ein Traum, der Carla gequält, weil sie immer gefürchtet hatte, das Traumland nicht zu erreichen. Die Last dieser Sehnsucht war nun von ihr genommen. Jetzt war sie befreit. Sie war nicht von dem Kind befreit, aber von dem Traum an die faule Glückseligkeit des Daseins. Sie glaubte wieder. Sie glaubte Washington. Carla und Washington würden das Lokal errichten, Washington’s Inn, die Wirtschaft, in der niemand unerwünscht ist.“

Im Gegensatz zu den Deutschen der Nachkriegszeit war Ihre Sicht nicht durch eine verklärte Vergangenheit bestimmt. Sie gingen in den Krieg für die Überwindung der Vergangenheit. Vergangenheit war nicht Belastung, Vergangenheit war Motivation: Sie gingen in den Krieg mit der Mission der Befreiung – für die Menschen in Europa, vermutlich aber auch für die Menschen Ihrer Hautfarbe, die erst 1944 in der Marine kämpfen durften – also nur dank des Krieges eine deutliche Gleichstellung bekamen.

Und wenn Sie an der Realität der Nachkriegszeit scheitern sollten, an den Menschen und ihren Prägungen, an Hass und Rassegedanken, so konnte Ihr Traum nicht getötet werden und lebt über siebzig Jahre später als Lektüre für junge Menschen weiter. Sie haben viel erreicht, Washington!

Respekt und Glückwunsch!

Klaus Schenck

Schüler-Briefe zum Werk

(alles auf ungefähr eine Textseite reduziert – in Briefform)

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YouTube-Sendungen mit Manuskript

Werke der Schul-Sekundärliteratur

Bauer, Dirk und Schütte, Judith: Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“. EinFach Deutsch. Schöningh 201810

Grobe, Horst: Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“. Königs Erläuterungen, Bd. 472. Bange Verlag 20143

Pütz, Wolfgang: Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“. Reclam Lektüreschlüssel Nr. 15429, 2011

Reisner, Hanns-Peter: Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“. Lektürehilfen Klett, 2013

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Klaus Schenck

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Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
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Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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